Donnerstag, 6. April 2017

Der Staatsschutzkammer Wunderkammer

Das Dienstzimmer des Vorsitzenden Richters der Staatsschutzkammer des Landgerichts Koblenz ist ein Panoptikum, eine Wunderkammer - so jedenfalls führen es seine Kollegen aus in einem Beschluss, mit dem zahlreiche Befangenheitsanträge der Angeklagten des Aktionsbüro Mittelrhein Verfahrens als unbegründet zurückgewiesen wurden.

Begründet wurden die Befangenheitsanträge mit einem Aufkleber, der an der Milchglastür des Dienstzimmers des abgelehnten Vorsitzenden angebracht ist, den man jedoch vor der Tür stehend - freilich spiegelverkehrt - wahrnehmen kann.  Dieser runde Aufkleber zeigt als Silhouette auf weißem Grund das Profil eines Burschenschafters mit Mütze. Der Aufkleber ist rot umrandet, trägt innerhalb des Randes die Aufschrift "falsch-verbunden" (Hinweis auf eine Internetseite "falsch-verbunden.net", wobei das Wort "net" überklebt worden war) und enthält in der Mitte einen schräg verlaufenden roten Balken, ähnlich einem Parkverbotsschild.
Die Zielrichtung des Aufklebers beschränkt sich damit erkennbar nicht isoliert auf die Vereinigung "Deutsche Burschenschaft". Sowohl inhaltlich ("falsch verbunden") als auch in Anbetracht der politischen Richtung, die diesen Aufkleber vertreibt, transportiert er die Aussage, die sich schlagwortartig auf den Nenner "Gegen Rechts!" bringen läßt. 

Die Angeklagten, denen die Anklage vorwirft, sie hätte eine kriminelle Vereinigung gebildet bzw. unterstützt und ihr Ziel sei es gewesen, einen nationalsozialistischen Staat zu errichten, besorgten daher die Befangenheit des Richters.

Nun muss man wissen, dass Befangenheitsanträge nicht dann erfolgreich sind, wenn ein Richter tatsächlich befangen IST. Maßgeblich ist, ob ein Angeklagter eine entsprechende BESORGNIS hegt, die nachvollziehbar ist. Dass Angeklagte, die dem politisch rechten Spektrum angehören, angesichts der einem solchen Aufkleber innewohnenden Aussage den Eindruck gewinnen, der Richter könnte ihnen gegenüber den Boden der Neutralität verlassen haben, erstaunt nicht.

Entsprechend groß war das Erstaunen gestern als der Vorsitzende gegen 14.05 Uhr den Beschluss der Kammer verlas, die über die Befangenheitsanträge entschieden hatte.

Der Aufkleber an der Innenseite der Milchglasscheibe der Tür zum Dienstzimmer sei nicht isoliert, sondern im Gesamtzusammenhang mit den übrigen Objekten im Dienstzimmer zu betrachten und zu bewerten. Das Dienstzimmer enthalte eine sehr große Vielzahl von Objekten aus der langjährigen Dienstzeit des Vorsitzenden. Sämtliche Wände und auch sonst nahezu jeder Quadratmeter des Dienstzimmers sei mit Objekten vollgestopft. Alle diese Objekte hätten gemeinsam, dass sie einen sprachlich-humoristischen Aspekt aufwiesen. Der Aufkleber mit einer Silhouette, die ein Mitglied einer studentischen Verbindung darstellen soll (Burschenschaft), enthalte das Wortspiel "falsch verbunden.". Im Zusammenhang mit den übrigen Objekten aus der umfangreichen "Kuriositätensammlung" des Vorsitzenden sei für jeden vernünftigen Betrachter erkennbar, dass der Aufkleber nicht aufgrund einer irgendwie gearteten politischen Aussage, sondern aufgrund des sprachlich-humoristischen Aspekts des Wortspiels "Verbindung" und "falsch-verbunden." in die Sammlung aufgenommen worden sei.

Ein Wortspiel also, Teil einer Kuriositätensammlung im Dienstzimmer eines humorvollen Richters und nur in diesem Gesamtzusammenhang zu sehen. Nun findet die Hauptverhandlung seit August 2012 aber nicht IM Dienstzimmer des Richters statt, sondern im Schwurgerichtssaal.  Das Dienstzimmer kennt mein Mandant nur von außen und von dort sieht man den Aufkleber.

Man fühlt sich erinnert an die Entscheidung des Landgerichts Rostock betreffend den Strafrichter, dessen T-Shirt die Aufschrift "Ich gebe Ihrer Zukunft ein Zuhause - JVA" trug und dem seine Kollegen ebenfalls Humor bescheinigt hatten. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil aufgehoben und die Besorgnis der Befangenheit, die der Angeklagte gegen den Richter aufgrund der Aufschrift hegte, bestätigt. Ich bin mir sicher, dass dieser Richter noch weitere T-Shirts IM Schrank liegen hatte.





1 Kommentar:

Werner Siebers hat gesagt…

Ein typische Krähenentscheidung, die eher nahe der Rechtsbeugung denn der Neutralität angesiedelt ist. Man mag politisch stehen, wo man will, aber dieses "Kuriosum" des Vorsitzenden erzwingt natürlich die objektiv nachvollziehbare Besorgnis. Und dass die anderen Richter nun ihrem Kollegen nicht aufzeigen mögen, wie dumm so etwas ist, vergessen, was der BGH in Rostock gemacht hat; so wird es hier auch kommen.

Und schon sind Millionen an Steuergeldern verpufft, aber keiner will es gewesen sein. Kumpelhafte IGNORANZ unter Richtern par excellence. Böses Wortspiel: ungesunder Chorgeist!