Ein Strafbefehl über 30 Tagessätze ging meinem Mandanten zu mit folgendem Inhalt:
" Ihnen wird nach dem von der Staatsanwaltschaft ermittelten Sachverhalt zur Last gelegt, am (..) in (...) zwei andere beleidigt zu haben.
Nachdem Sie auf dem W-Platz den Eheleuten F und S erläutert hatten, wie man sich als Gast in Deutschland zu benehmen hat, zeigten Sie Ihr eigenes Benehmen, indem Sie die Zeugin F mehrfach als dumme (...) und den Zeugen S als ferngesteuerten Schlafanzug beschimpften (...)."
Die so Titulierten hatten der Polizei das Pkw-Kennzeichen des Täters mitgeteilt und eine Beschreibung seiner Person. Während das Kennzeichen auf meinen Mandanten hindeutete, tat es die Personenbeschreibung nicht, und zwar ganz und gar nicht. Um dem Mandanten eine Hauptverhandlung zu ersparen, wies ich auf diesen Umstand hin, was das Gericht dazu veranlasste, die Akte nochmal an die Polizei zu schicken mit der Bitte, sich meinen Mandanten einmal anzusehen. Nachdem ein Beamter dies getan hatte, staunte ich nicht schlecht, als mir das Ergebnis der Ermittlung zugeleitet wurde. In diesem lautete es, man habe meinen Mandanten aufgesucht und dieser habe angegeben, der Beschuldigte zu sein. Nun ist es relativ unwahrscheinlich, dass ein Beschuldigter sagt: "Ich bin der Beschuldigte", aber sei´s drum. Mehr gab der Bericht nun mal nicht her, insbesondere zu der erheblichen Abweichung im Phänotyp hatte der Ermittler nichts verschriftet.
In der Hauptverhandlung erschienen die Zeugen F und S, der Polizeibeamte P sowie eine Schulklasse, die im Zuschauerraum Platz nahm. Einen Schlafanzug trug übrigens niemand.
F und S sagten aus, meinen Mandanten nie zuvor gesehen zu haben, derweil P wie erwartet ins Schleudern geriet. Ja, es könne auch sein, dass mein Mandant gesagt habe, er sei Halter des Pkw und nicht er sei der Beschuldigte und nein, ob er ihn überhaupt als Beschuldigten belehrt habe, wisse er doch heute nicht mehr.
Die anwesenden Schüler lernten an diesem Tag für´s Leben:
1. Reden ist Silber...
2. Nicht jeder, der auf der Anklagebank sitzt, ist schuldig.
3. Die Bezeichnung eines Anderen als "ferngesteuerter Schlafanzug" kann eine Beleidigung darstellen.
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