In der vergangenen Woche machte eine Meldung über einen Richter am Amtsgericht Hagen Schlagzeilen, der verfügte, dass sein Sitzungssaal nur noch mit Handschuhen und Mundschutz betreten werden dürfe.
Der Richter hat viel Spott geerntet. Die Spötter sind zwischenzeitlich kleinlauter geworden wie es scheint und viele Gerichte haben bereits auf Notbetrieb umgeschaltet und verhandeln nur noch unaufschiebbare Haftsachen und Eilsachen. An einer deutschlandweiten Regelung fehlt es bislang und so kann es sein, dass ein Gericht sämtliche Verhandlungstermine in den nächsten Wochen per richterlicher Verfügung aufhebt und als Aufhebungsgrund auch ganz klar die Coronakrise benennt, während ein anderes Gericht nur widerwillig entsprechenden Anträgen der Anwaltschaft auf Aufhebung stattgibt und wieder ein anderes Gericht per ordre Mufti bekannt gibt, es werde verhandelt, Corona hin oder her.
Nun droht uns zwar nicht die Urangst des Majestix, der Himmel könne ihm auf den Kopf fallen, zu ereilen, aber dass Deutschland auf eine Krise zusteuert, nachdem es wochenlang in süßem Dornröschenschlaf lag und nicht unerheblich von der Vernunft seiner Anrainerstaaten profitierte, dürfte zwischenzeitlich auch einfachen Gemütern aufgefallen sein.
Nachdem inzwischen laut über die Schließung von Restaurants, Fitnessstudios etc. nachgedacht wird, stellt sich zu Recht die Frage, ob nicht auch die Justiz in den Krisenplan mit einbezogen werden kann, und zwar flächendeckend im Sinne des Gemeinwohls. Wolfgang Kubicki weist zu Recht darauf hin, dass es absurd ist, einerseits zu empfehlen, soziale Kontakte zu meiden und andererseits Menschen in relativ kleinen Gerichtssälen zusammen zu bringen.
Fiat iustitia ruat caelum (Der Gerechtigkeit soll Genüge getan werden und wenn der Himmel einstürzt) kann angesichts des Ernstes der Lage nicht die Lösung sein.
Die Zivilgerichte haben seit vielen Jahren die Möglichkeit, Prozessbeteiligten zu gestatten, sich während der Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und sich live in den Gerichtssaal übertragen zu lassen. Auf diese Weise können auch Zeugen und Sachverständige gehört werden. All das steht im Gesetz, und zwar hier.
Nun fragen Sie aber mal bei der Geschäftsstelle eines beliebigen Amtsgerichts nach, ob die Möglichkeit besteht, nach § 128a ZPO zu verhandeln. Zwischen irritierten Nachfragen, was es denn damit auf sich habe bis hin zu Gelächter ob der eher frugalen Ausstattung des Gerichts ("Wir haben nicht mal ein Internetzugang") ist alles dabei. Man wünscht sich, der Gesetzgeber hätte uns mit dem § 128a ZPO nicht nur ein modernes Gesetz geschenkt, sondern bei gleicher Gelegenheit seine Justizbehörden auch so ausgestattet, dass sie davon auch Gebrauch machen können.
Vielleicht findet sich ja irgendwo ein Topf, in dem Geld für derlei Technik steckt. Rechtsanwälten wird umgekehrt ja auch abverlangt, dass sie ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach nutzen, dass ungefähr so ausgereift ist wie eine grüne Banane, so stabil wie ein feuchtes Zewa, so sicher wie Deutschlands Grenzen und dabei einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet hat.
Bleibt zu hoffen, dass die Gerichte mehr von einer anderen Möglichkeit Gebrauch machen werden bis sich die Lage entweder beruhigt oder die Ausstattung sich verbessert hat. § 128 ZPO sieht vor, dass bei Einverständnis der Parteien schriftlich verhandelt werden kann.
1 Kommentar:
Die Gerichte haben zu viele schlechte Erfahrungen mit Verteidigern gemacht um im allseitigen Einvernehmen mal § 229 Abs. 3 Nr. 1 StPO analog anzuwenden. Im Zivilrecht ist es wegen der dortigen Verfahrenskultur einfacher - und weil § 245 ZPO analog natürlich besser passt.
Aber wer jahrzehntelang die „schützende Form“ wie eine Monstranz vor sich hergetragen hat, muss jetzt eben mit den Folgen leben...
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