Donnerstag, 14. Dezember 2017

Wir sind hier nicht im Strafrecht! - Befangen geht auch anders

In einer Verkehrsunfallsache klage ich für einen Halter und die hinter ihm stehende Versicherung auf Schadensersatz. Der Gegner ist ausländischer Herkunft, lebt aber mit seiner Familie seit vielen Jahren in Deutschland. Seine Gattin, die er als Zeugin für den Unfallhergang benannt hat, spricht dennoch kein Deutsch mit der Folge, dass ein Dolmetschern für die Gerichtsverhandlung hinzugezogen wurde.

Einige Minuten vor dem Termin treffen meine Kollegin, die den Fahrer vertritt, und ich vor dem Sitzungssaal ein. Der Gegner, seine Gattin und der Dolmetscher sind bereits da, unterhalten sich in ihrer Muttersprache, wobei der Dolmetscher eine Zeichnung in Händen hält, die aussieht wie eine Unfallskizze. Die Kollegin und ich staunen nicht schlecht. Das Dreiergespann gestikuliert und schwadroniert unbeeindruckt weiter. Ich frage den Dolmetscher, was er mache. Er antwortet, er lasse sich gerade erklären, wie die Straße heiße, wie die Autos gestanden hätten und so weiter und so fort. Meinen Einwand, er sei nicht dazu da, im Vorfeld mit einer Partei den Unfallhergang zu besprechen, nimmt er nicht ohne Erstaunen zur Kenntnis, wendet sich wieder seinen Landsleuten zu und erörtert mit diesen weiter die Skizze. Der hinzukommende Kollege, der den Gegner vertritt und offenbar auch nicht recht weiß, dass es nur Aufgabe eines Dolmetschers ist, in der Verhandlung zu übersetzen, nicht aber vor der Verhandlung Gespräche über den Unfallhergang zu führen, kann meine Einwände nicht nachvollziehen und verzieht sein jungenhaftes Gesicht zu einem Grinsen als die Kollegin und ich wenig später in der Verhandlung den Dolmetscher wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen.

Der Dolmetscher (öffentlich bestellt und vereidigt!) bestätigt den geschilderten Sachverhalt und fügt hinzu, er verstehe nicht, was daran schlimm sei, er mache das schließlich immer so (sic). Gut zu wissen, dass der Dolmetscher nicht das erste Mal in dieser Form agiert und erstaunlich, dass er damit wohl noch nie negativ aufgefallen ist.

Der Vorsitzende beim Amtsgericht sieht den Befangenheitseinwand als begründet an, bemerkt aber in meine Richtung, wir seien nicht im Strafrecht. Das ist richtig, aber das müssen wir auch nicht. Auch im Zivilprozess ist es vorgesehen, dass Richter, Sachverständige oder Dolmetscher wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden können, wenn sie ein Verhalten an den Tag legen, das besorgen lässt, dass sie den Boden der Neutralität verlassen haben. Das Verfahren wird irgendwann im neuen Jahr fortgesetzt, mit einem neuen Dolmetscher, der seine Aufgabe hoffentlich lege artis ausführen wird.     
   

5 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Da hatten Sie aber einen wohlwollenden Richter.
Befangenheitsanträge für Sachverständige und Dolmetscher
gehen im Zivilrecht nur sehr selten erfolgreich aus.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

Bei einem derart klaren Sachverhalt bedarf es keines "wohlwollenden" Richters. Die Rechtsprechung ist sehr eindeutig.

Unknown hat gesagt…

Hab ich oft genug anders erlebt.
Allerdings bei Sachverständigen, nicht
bei Dolmetschern. Die Richter haben mit
aller Gewalt versucht den SV zu halten.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

Dieses Verhalten, also das Festhalten am SV, ist mir nur aus Strafverfahren geläufig. Im Zivilrecht kann ich die Ablehnungsgesuche, die in den letzten 18 Jahren gestellt habe, an einer Hand abzählen.

Unknown hat gesagt…

Besorgnis der Befangenheit allemal begründet. Allerdings sehen die Prozessbeteiligten, deren Muttersprache Deutsch nicht ist, den ihre Muttersprache sprechenden Dolmetscher oft als einzigen Ansprechpartner und wenden sich mit allerlei Begehren, Anträgen und Bitten an ihn, frei nach dem Motto: "Es war doch so und so passiert. Die Gegenseite bestreitet das, aber sie lügt. Meinem Anwalt hab ich das schon gesagt, aber lieber sage ich's Ihnen, damit Sie gleich wissen, was Sie in der Verhandlung sagen sollen."

In solchen Fällen breche ich den verzweifelten Prozessbeteilgten abrupt ab und schicke ihn zu seinem eigenen Anwalt. Oder verweise darauf, dass er das gleich im Termin selbst aussagen soll. Mich gibt's bis zum Beginn der Verhandlung offiziell nicht. So.