Sonntag, 24. Dezember 2017

Das beA Gedicht


Ein Geschenk der Anwaltskammer
Es liegt heuer unterm Baum
Millionen hat's gekostet
Und ist - ganz offen - echt ein Traum.

Kaum dass man es ausgepackt
Mit Geduld und viel Geschick
Wird es flugs vom Netz genommen
Ist das bloß ein übler Trick?

Wollten wir doch alle starten
Einfach, sicher, digital
Sitzen wir nun an den Rechnern
Nichts geht mehr, verdammt noch mal.

Doch schon bald bricht es heran
Das neue Jahr, mit ihm die Pflicht
Es zu nutzen und zu ehren
Bei Kollegen und Gericht.

Ob der BRAK es wird gelingen
beA an den Start zu bringen?
Ohne Leaks, dafür mit Pathos
Dank der Freaks der Firma Atos?

Dieses darf bezweifelt werden
Finger weg von toten Pferden!
Statt uns noch mehr Zeit zu rauben
Überlasst die Post den Tauben. ;-)











Samstag, 23. Dezember 2017

beA und BER - Wettrennen der Schildbürger

Im Zuge der Digitalisierung und der angeblichen Vereinfachung des Rechtsverkehrs hat sich die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) etwas ganz Besonderes einfallen lassen: ab dem 01.01.2018 ist jeder in Deutschland tätige Rechtsanwalt gesetzlich verpflichtet, ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (kurz beA) zu nutzen. Über dieses beA können ihm dann Schreiben von Gerichten, Staatsanwaltschaften, Kollegen und natürlich der Anwaltskammer zugestellt werden. Klingt einfach, ist es aber nicht.

Nachdem es mir mithilfe meiner Kollegin und meiner ReNo gelungen war, das Postfach zu installieren, dauerte es nicht lange bis mir mein Email Account die frohe Kunde eines Posteingangs im beA bedeutete. Das muss was Wichtiges sein. Also frisch ans Werk mit Karte und Kartenleser und - nichts. Der Anmeldevorgang funktioniert nicht. Erfreulicherweise hat die BRAK eine Telefonhotline eingerichtet, bei der man sich Hilfe holen kann. Nach einem halben Dutzend Versuchen (ich nehme an, ich bin nicht die Einzige, bei der das beA nicht willig ist), gebe ich auf und versuche erneut mein Glück, indem ich Dasjenige tue, was die meisten Menschen tun, wenn sie vor dem Rechner sitzen und ein nicht näher definierbares Problem haben. Ich starte neu. Zunächst das Programm, dann den Rechner. Nichts. Vielleicht doch nochmal die Hotline? Besetzt. Ich aktualisiere den Browser, installiere zusätzlich einen anderen Browser. Ohne Erfolg.
Nach annähernd zwei Stunden gelingt es mir, beA zu überlisten, wie genau mir das gelungen ist, kann ich nicht sagen, aber plötzlich bin ich drin.

Ich bin drin!!! Im Taumel zwischen Glück und Neugier sehe ich im Posteingang, dass Post gekommen ist v.on... *Trommelwirbel*





... der heimischen Anwaltskammer. Im Betreff steht "Weihnachtsgrüße".
WEIHNACHTSGRÜßE!
Ich bin kurz davor, den Computer zum Fenster hinauszuwerfen.

Die Grüße lassen sich nicht öffnen, teilt mir meine Reno später mit. Es ist mir egal. Ich habe fast zwei Stunden damit zugebracht, beA zu öffnen, da können mir die jahreszeitlichen Grüße derer, die beA mit auf dem Gewissen haben, gestohlen bleiben.

Im normalen Emailaccount gestern befand sich übrigens ein Sondernewsletter der Anwaltskammer zum beA. Dieser enthält diesmal keine Grüße, sondern sogar ein Geschenk - beA benötigt ein neues Zertifikat und damit es dem Anwalt über die Feiertage nicht so langweilig wird, darf er es auch gleich selbst installieren. Die mehrseitige Anleitung liefern die Damen und Herren Kollegen aus Berlin, die sich beA ausgedacht haben und seither nicht müde werden, es mit dem Slogan EINFACH, SICHER, DIGITAL (sic!) als eine Art 8. Weltwunder zu präsentieren, gleich mit. Danke dafür. Beherzt klicke ich auf den Installationslink. ERROR 404! Ich gebe zu, es hätte mich gewundert, wenn es funktioniert hätte. Die Hotline ist derweil nicht erreichbar.

Der Höhepunkt des Tages ist dann aber die Nachricht, dass beA ab sofort und über die Feiertage zwecks Wartungsarbeiten vom Netz genommen wird. Bleibt abzuwarten, ob es bis zum 1.1.2018 in Gang kommt. Im Grunde könnte es einem ja egal sein, wenn da die Sache mit der Haftung nicht wäre, denn wer beA nicht nutzt, dem drohen Fristversäumnisse.

Die BRAK hat ihren Sitz übrigens in Berlin. Da soll auch irgendwann BER eröffnet werden, einer der größten Schildbürgerstreiche der jüngeren Vergangenheit. Nur in einem Buchstaben unterscheiden sich BER und beA voneinander. Das kann kein Zufall sein.


Freitag, 22. Dezember 2017

Was lange währt...

... liegt endlich unter´m Tannenbaum.

Gerade in der 4. Auflage erschienen



Während meine Kollegin Christine Henn das Kapitel über Besetzungsrügen verfasst hat, durfte ich auch in dieser Aufgabe wieder über Befangenheit schreiben und gemeinsam mit Tomasz Godzinski das Kapitel über die Besonderheiten der Verteidigung in Großverfahren ins Leben rufen.

Trotz reichlich Arbeit hat es auch dieses Mal wieder Spaß gemacht, an dem Buch mitzuschreiben. Gelobhudelt gehört Maximilian Endler, der mehr als einmal meine Wutausbrüche tapfer zu ertragen wusste, wenn aus meiner Sicht wieder einmal irgendetwas nicht so (schnell) funktionierte wie ich es mir vorgestellt hatte... 

Donnerstag, 14. Dezember 2017

Wir sind hier nicht im Strafrecht! - Befangen geht auch anders

In einer Verkehrsunfallsache klage ich für einen Halter und die hinter ihm stehende Versicherung auf Schadensersatz. Der Gegner ist ausländischer Herkunft, lebt aber mit seiner Familie seit vielen Jahren in Deutschland. Seine Gattin, die er als Zeugin für den Unfallhergang benannt hat, spricht dennoch kein Deutsch mit der Folge, dass ein Dolmetschern für die Gerichtsverhandlung hinzugezogen wurde.

Einige Minuten vor dem Termin treffen meine Kollegin, die den Fahrer vertritt, und ich vor dem Sitzungssaal ein. Der Gegner, seine Gattin und der Dolmetscher sind bereits da, unterhalten sich in ihrer Muttersprache, wobei der Dolmetscher eine Zeichnung in Händen hält, die aussieht wie eine Unfallskizze. Die Kollegin und ich staunen nicht schlecht. Das Dreiergespann gestikuliert und schwadroniert unbeeindruckt weiter. Ich frage den Dolmetscher, was er mache. Er antwortet, er lasse sich gerade erklären, wie die Straße heiße, wie die Autos gestanden hätten und so weiter und so fort. Meinen Einwand, er sei nicht dazu da, im Vorfeld mit einer Partei den Unfallhergang zu besprechen, nimmt er nicht ohne Erstaunen zur Kenntnis, wendet sich wieder seinen Landsleuten zu und erörtert mit diesen weiter die Skizze. Der hinzukommende Kollege, der den Gegner vertritt und offenbar auch nicht recht weiß, dass es nur Aufgabe eines Dolmetschers ist, in der Verhandlung zu übersetzen, nicht aber vor der Verhandlung Gespräche über den Unfallhergang zu führen, kann meine Einwände nicht nachvollziehen und verzieht sein jungenhaftes Gesicht zu einem Grinsen als die Kollegin und ich wenig später in der Verhandlung den Dolmetscher wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen.

Der Dolmetscher (öffentlich bestellt und vereidigt!) bestätigt den geschilderten Sachverhalt und fügt hinzu, er verstehe nicht, was daran schlimm sei, er mache das schließlich immer so (sic). Gut zu wissen, dass der Dolmetscher nicht das erste Mal in dieser Form agiert und erstaunlich, dass er damit wohl noch nie negativ aufgefallen ist.

Der Vorsitzende beim Amtsgericht sieht den Befangenheitseinwand als begründet an, bemerkt aber in meine Richtung, wir seien nicht im Strafrecht. Das ist richtig, aber das müssen wir auch nicht. Auch im Zivilprozess ist es vorgesehen, dass Richter, Sachverständige oder Dolmetscher wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden können, wenn sie ein Verhalten an den Tag legen, das besorgen lässt, dass sie den Boden der Neutralität verlassen haben. Das Verfahren wird irgendwann im neuen Jahr fortgesetzt, mit einem neuen Dolmetscher, der seine Aufgabe hoffentlich lege artis ausführen wird.