Donnerstag, 21. August 2014

Psst! Ich bin Verteidiger - aber bitte nicht weitersagen!

Die Rheinzeitung berichtet anlässlich des 2-jährigen Jubiläums des Aktionsbüro-Mittelrhein-Prozesses über den Stand der Dinge. Einen Link kann ich nicht setzen, da die Onlineausgabe kostenpflichtig ist. Das ist nachvollziehbar und bezogen auf den Artikel nicht wirklich schlimm, denn er ist unspektakulär, passt ins Sommerloch und man könnte ihn überschreiben mit: "Im Westen nichts Neues". In ihm werden kritische Stimmen aus den Reihen der Verteidiger zitiert, wobei es nicht zu stören scheint, dass einer der zitierten Verteidiger schon vor Monaten aus dem Prozess ausgeschieden ist, nachdem das Verfahren gegen seinen Mandanten eingestellt worden war.

Wirklich interessant aber finde ich folgende Stelle des Artikels, in der es heißt: "Manche (gemeint sind Verteidiger) bitten darum, auf gar keinen Fall mit dem Neonazi-Prozess in Verbindung gebracht zu werden."

Hoppla. Was soll das denn bedeuten?

Mich würde ja interessieren, warum die Damen und Herren Kollegen nicht genannt werden wollen. Was ist schlimm daran, wenn ein Verteidiger seiner Arbeit nachgeht?
Liegt es an der politischen Ausrichtung der Angeklagten, dass man als Verteidiger außen vor bleiben möchte?
Wäre es vielleicht anders, wenn es um einen Prozess gegen Mitglieder der Antifa ginge?
Fernab vom Politischen: Würden die Kollegen genannt werden wollen als Verteidiger von (prominenten) Steuerstraftätern, Handtaschendieben, Drogenhändlern?
Welche Berufsauffassung haben diese Kollegen? Ist Strafverteidigung "igitt", so "igitt", dass man nicht damit in Zusammenhang gebracht werden mag? Wie verträgt sich eine solch (vermeintliche) Einstellung mit dem, was Strafverteidigung ausmacht?

Hans Dahs hat es in seinem Handbuch für Strafverteidiger einmal so formuliert:

Verteidigung ist Kampf. Kampf um die Rechte des Beschuldigten im Widerstreit mit den Organen des Staates, die dem Auftrag zur Verfolgung von Straftaten zu genügen haben. Im Strafverfahren bringt der Staat gegen persönliche Freiheit und Vermögen des Einzelnen seine Machtmittel mit einer Wucht zum Einsatz wie in keinem anderen Bereich des gesellschaftlichen Lebens.

Jeder Beschuldigte hat ein Anrecht auf einen Verteidiger. Idealerweise versteht dieser Verteidiger seine Arbeit, hat es nicht nötig, sich zu verstecken und kämpft - für den Mandanten.

In diesem Sinne: auf in den Kampf - jeden Tag aufs Neue!







6 Kommentare:

Andreas Neuber hat gesagt…

Venceremos !

RA Hellinger hat gesagt…

Vielleicht wollen sie nicht namentlich genannt werden, weil die Mehrheit der Bevölkerung und insbesondere das Klientel der besagten Rechtsanwälte nie das Handbuch für Strafverteidiger in der Hand hatten.

Nichtjuristen denken hierüber nur herzlich wenig nach, sondern entscheiden vielfach rein subjektiv (bei der Verteidigerwahl).

Die besagten Kollegen machen einfach nur ihre Arbeit und wollen nebenbei nicht missionieren. Kann ich durchaus verstehen. Kollegin Sturm ist hierfür ein aktuelles Beispiel. Ihre ehemalige Kanzlei wollte einfach nicht riskieren, dass ihnen die umsatzstarke Nische der Angeklagten mit Migrationshintergrund wegbricht.

WPR_bei_WBS hat gesagt…

Meine Ansicht (als nicht-Jurist) dazu, die ich auch gerne bei jeder Cocktail-Party, jedem Stammtisch-Gespräch (wenn ich bei sowas denn mal wäre) oder auch in jedem Bierzelt (wo's mich auch nicht wirklich hinzieht) zum besten gebe:

Der Strafverteidiger verteigt vor allem auch den Rechtsstaat!

Anonym hat gesagt…

Du naives Häschen,

vielleicht verteidigst Du mal selbst einen NeoNazi (oder einen Muslim, oder einen Antifa) in dieser Eigenschaft. Dann wirst Du die Anfeindungen erleben. Gegen Dich und viel schlimmer (falls Du hast) Familie.
Man macht seinen Job, so gut man kann. Durchaus aus Überzeugung. Aber man muss Risiken ja nicht provozieren!

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@Anonym: Ich verteidige seit 16 Jahren, seit 2 Jahren im ABM-Verfahren und ich darf behaupten, die Risiken einschätzen zu können. Trotzdem besten Dank für diesen besorgten Beitrag. Beste Grüße aus einer kurzen Verhandlungspause im heute 138. Prozesstag vom naiven Häschen.

Rolf hat gesagt…

In einem familiengerichtlichen Verfahren (Umgangsrecht) outete sich unser Mandant, der Kindesvater, als Nazi. Als Kanzlei mit einem ausländischen und einem jüdischen Namen war es ungewöhnlich, daß er zu uns gefunden hatte (vielleicht war er gesinnungsgemäß aber auch nur zu doof). Meine Kollegin sagte: "Sie haben doch unser Kanzleischild gelesen, oder? So ausgeprägt kann Ihre Gesinnung ja nicht sein. Und solange Sie das nicht vor dem Kind 'rauslassen, ist mir das egal":

Ebenso praktisch sah es der Richter. Der Gegenanwalt ritt darauf herum, der Vater sei ein Nazi. Darauf der Richter: "Das kann der Mutter angesichts der vielen eindeutigen Tatoos kaum endgangen sein... Und solange er das nicht vor dem Kind 'rausläßt, ist mir das egal".