Donnerstag, 13. Dezember 2012

Aktionsbüro Mittelrhein - Der Schöffe und die Nikoläuse

Lange habe ich hier nicht berichtet über den Aktionsbüro-Mittelrhein-Prozess bei der Staatsschutzkammer des Landgerichts Koblenz. Gemeinsam mit meiner Kollegin Katja Kosian und unserem Mandanten sitze ich immer noch ganz hinten, ganz links und schon aufgrund der Sitzposition geht das Ein oder Andere an uns vorbei wie beispielsweise verbale Schlagabtausche zwischen anderen Verteidigern und dem Oberstaatsanwalt, der leider nur allzu oft vergisst, sein Mikrofon einzuschalten.

Ebenfalls nicht mitbekommen hatte ich, dass am Nikolaustag ein Schöffe vor Beginn der Hauptverhandlung den beiden Vertretern der Staatsanwaltschaft, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwesend waren, je einen Schokoladennikolaus an den Platz gestellt hat.

Hierauf wurde von einem Angeklagten ein Ablehnungsgesuch, vulgo: Befangenheitsantrag, gegen den betreffenden Schöffen vorgebracht, dem sich weitere Angeklagte - darunter auch unser Mandant - angeschlossen haben.

Den Nichtjuristen unter den Lesern sei zum Sinn und Zweck von Befangenheitsgesuchen Folgendes erläutert:
Ein Angeklagter in einem Strafprozess muss sich darauf verlassen können, dass die Richter, (und hierzu zählen die Schöffen, die das gleiche Stimmrecht haben wie die Berufsrichter) ihm unvoreingenommen gegenübertreten. Ein Richter tut also gut daran, seiner Neutralität auch nach außen hin Ausdruck zu verleihen und Handlungen oder Bemerkungen zu unterlassen, die einen Angeklagten hieran zweifeln lassen.

Bevor Sie nun lachen und meinen, es sei doch Unsinn, die Besorgnis der Befangenheit aus zwei Schokonikoläusen herzuleiten, überlegen Sie bitte kurz, wem Sie vergangene Woche einen Nikolaus geschenkt haben. Ihrer Frau, Ihren Kindern - sicher bis wahrscheinlich. Ihrer Sekretärin - vielleicht, wenn Sie ein netter Chef sind und eine nette Sekretärin haben. Ihrem Nachbarn - eher unwahrscheinlich. Ihrem Vorgesetzten - noch unwahrscheinlicher, da anbiedernd. Versetzen Sie sich nun in die Lage eines Angeklagten und überlegen Sie, wie es auf Sie wirkt, wenn der Richter dem Staatsanwalt, der Anklage gegen Sie erhoben hat, einen Nikolaus verehrt.

Über den "Nikolaus-Antrag" wird in der kommenden Woche entschieden werden.

7 Kommentare:

RA Anders hat gesagt…

Bei unserem kleinen Amtsgericht ist es üblich, dass der Staatsanwalt in der Mittagspause mit dem Richter, oft auch den anderen Richtern des Gerichts, essen geht. Auch das ist irgendwie nicht schön. Allerdings wurde ich auch schon gefragt, ob ich nicht mitgehen will.

cepag hat gesagt…

Hätte der nur den anderen Richtern einen Niko auf den Tisch gestellt, hätte ich keine Bedenken. Wenn er schon meint, dass die beiden StA'e auch einen haben sollen, hätte er dann auch jedem Verteidiger einen hinstellen müssen.

Am besten wäre es gewesen, er hätte nur sich selbst einen hingestellt.

Anonym hat gesagt…

Liebe Frau Kollegin,

ich als mitbetroffener Verteidiger habe den Fall zum Anlaß genommen, der Kellnerin meiner Stammkneipe folgende Testfrage zu stellen:

"Stell Dir vor, Du seiest Angeklagte, Dein Prozeß findet zufällig an einem 6.12. statt und einer der beisitzenden Richter schenkt vor Verhandlungsbeginn dem StA einen Nikolaus, was denkst Du?

Spontane Antwort: "Dann bleibt ja für mich nur die Rute"

Viele Grüße aus Düsseldorf, Dr. Björn Clemens

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

Lieber Herr Kollege,
die Reaktion der Kellnerin beweist, dass es keinesfalls abwegig ist, sich angesichts eines solchen Verhaltens um die Unvoreingenommenheit des Laienrichters zu sorgen. Auch ich habe beim Stammtisch von dem Fall berichtet und die Reaktionen gingen in dieselbe Richtung. Noch 7 mal schlafen und wir wissen, wie sich das Landgericht positioniert. Viele Grüße aus KO.

hau26hau hat gesagt…

Früher galt schon ein Strafrichter als befangen, wenn er zusammen mit dem Staatsanwalt den Gerichtssaal betrat.

Lowrain hat gesagt…

...wie Sie selbst schon geschrieben haben, bekommen nur Leute, denen man nahesteht eine Kleinigkeit zum Nikolaus. Heißt für mich im Klartext: Der Schöffe und die Staatsanwaltschaft sind zumindest gut miteinander bekannt...der Befangenheitsantrag wundert also nicht, mich verwundert nur, wie man als Richter (Schöffe)dann so dumm sein kann, sich dabei noch "erwischen zu lassen" :)

Anonym hat gesagt…

@RA Anders:
Dabei gibt es sogar eine "Dienstanweisung" für Staatsanwälte : 123 RistBV...