Ein Weihnachtsgeschenk der besonderen Art für einen Mandanten flattert mir soeben auf den Schreibtisch: das OLG hat auf die von mir eingelegte Sprungrevision das Urteil eines Amtsgerichts aufgehoben.
Vorangegangen war dem eine Hauptverhandlung mit einer forschen Amtsrichterin, deren Verhandlungsführung recht eigenwillig war. So versuchte sie andauernd, mit meinem Mandanten ins Gespräch zu kommen und diesem Auskünfte zu entlocken, was bei mir auf Widerstand stieß. Es war nicht einfach, ihr beizubringen, dass sich ein Angeklagter auch über seinen Anwalt einlassen kann, also selbst nichts sagen muss. Das, was es zu sagen gab, hatte ich gesagt und damit hatte es dann trotz des mürrischen Blicks der Richterin sein Bewenden.
Zeugen hatte sie nicht geladen. Ihr reichte ihr Eindruck, die Einlassung meines Mandanten und ihr (Prä?)judiz. Dass das aber nicht für ein revisionssicheres Urteil reichen würde, war ebenso klar. Ich selbst hatte zur Verwunderung meiner Referendarin keine Beweisanträge gestellt, sondern mich gemütlich zurückgelehnt und die Urteilsbegründung an mir vorbeirauschen lassen.
Sie war nicht wirklich gut, noch weniger überzeugend, aber immerhin mit Inbrunst vorgetragen.
Die schriftliche Urteilsbegründung, die Wochen später zugestellt wurde, war nicht besser, dafür aber weniger inbrünstig.
In solchen Fällen ist das Rechtsmittel der Wahl die Sprungrevision.
Das OLG entschied wie von mir erwartet. Die Verabreichung einer derartigen Klatsche überstieg jedoch meine Erwartung.
Es wurde u.a. ausgeführt, dass nach den getroffenen Feststellungen des Urteils noch nicht einmal überprüft werden könne, ob nicht ein Strafklageverbrauch vorliege. Weiter seien die Anforderungen an Sachverhaltsaufklärung und Urteilsbegründung nicht erfüllt und das, obwohl der Senat seit 2005 (!) diese Anforderungen klar bezeichnet habe. Die Einlassung des Angeklagten hätte darüber hinaus Anlass geben müssen, sich mit einer Irrtumsproblematik auseinander zu setzen, was unterblieben sei und letztlich sei auch der Rechtsfolgenausspruch nicht frei von Mängeln.
Kurz: Was man falsch machen kann, wurde falsch gemacht.
Demnächst geht es also in die 2. Runde bei demselben Amtsgericht, nur bei einem anderen Richter.
4 Kommentare:
Fraglich bleibt nur, wie sportlich eine solche Klatsche aufgenommen wird - als bei mir in einer Zivilsache das OLG München darauf hinwies, dass sich die Rechtsmeinung des AG nicht im Gesetz wiederfinde, war besagte Richterin erst einmal ob der harschen Worte beleidigt und hat dann verschiedene mündliche Zusagen in anderen Verfahren nicht mehr eingehalten. Kritikfähigkeit at its best.
Wie sagte neulich ein Richter zu mir, der eine Strafsache auf den Tisch bekommen hatte, nachdem die Revision die Sache zurückverwiesen hatte: "Eines ist mal klar: So wie mein Vorgänger werde ich mein Urteil auf keinen Fall begründen."
Persönlich würde ich eine Einlassung über einen Anwalt mit der Glaubwürdigkeit Null ansetzen, ob das ein Richter anders handhaben muss, wäre natürlich eine andere Frage und eine weitere, ob ein Richter immer so schön das Persönliche vom abstrakten formaljuristischen trennen kann.
Die Frau hat sich erst mal nicht mit der Staatsanwalt angelegt und kann nun vom OLG belehrt mit neuen Erkenntnissen an den Fall gehen und einen Freispruch riskieren. Sie hat doch alles richtig gemacht.
In einer Strafvollstreckungssache streitet die Staatsanwaltschaft seit mehr als einem Jahr mit der Strafvollstreckungskammer. Zweimal hat das OLG auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft bereits die StVK aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Die StVK hat nunmehr zum dritten mal mitgeteilt, daß sie "auch nach Belehrung durch das OLG" bei ihrer Ansicht bleibe und der Beschwerde der Staatsanwaltschaft nicht abhelfe.
Bin gespannt, wann sich das OLG endlich dazu durchringt, in der Sache selbst zu entscheiden. Aber von mir aus kann es noch dreimal hoch und runter gehen. Die Pflichtverteidigergebühren entstehen mit jedem Instanzenzug neu - und ausnahmsweise einmal, ohne daß ich Arbeit mit dem Fall habe.
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