Donnerstag, 25. Januar 2024

25 Jahre Kampf um´s Recht

Heute vor 25 Jahren wurde ich als Rechtsanwältin zugelassen und vereidigt. Ich erinnere noch, dass es eine Feierstunde in der Rechtsanwaltskammer gab, an der teilzunehmen mir irgendwie die Lust fehlte. Immerhin hatte ich im November das 2. Staatsexamen gemacht und befand mich seither in einer Warteschleife. 

Den sofortigen Schritt in die Selbstständigkeit habe ich nie bereut und ich hatte das große Glück, dass dieser in den ersten Jahren flankiert wurde durch die Bürogemeinschaft mit Kollegen, die immer ein wachsames Auge auf mich hatten und aufgepasst haben, dass ich nicht unter Räder kam, die ich selbst manchmal noch nicht mal als solche erkannt hätte.

Ich habe es auch nie bereut, dass ich keine freundschaftlichen Kontakte zu Richtern aufgebaut habe in der Hoffnung, montagsmorgens einen Stapel Akten im Gerichtsfach vorzufinden, in denen ich als Pflichtverteidiger beigeordnet worden war. Mir ist Dergleichen in den zweieinhalb Jahrzehnten kein Dutzend mal passiert, aber auf die Pflichtverteidigungen, die mir Richter haben zukommen lassen, bin ich ein wenig stolz. Dies, weil ich dann den Eindruck hatte, dass Interesse daran besteht, dass ein Beschuldigter aktiv verteidigt wird. Vor 25 Jahren war die Dichte an Strafverteidigern, die mehr das Urteil begleitet haben als Anträge zu stellen, nach meinem Eindruck höher als heutzutage. Ich erinnere eine Kollegin, die sich seinerzeit gewagt hatte, einen Schwurgerichtsvorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehen, weil dieser im Vorfeld zu einem Verfahren sinngemäß gesagt haben soll, er sehe den Angeschuldigten schon in der Unterbringung. Damals hatte die Ungeheuerlichkeit des Antrages hohe Wellen geschlagen und er war zurückgewiesen worden. Der Kollegin pfiff seither der Wind eher eisig um die Ohren, aber auch sie ist bis heute trotzdem - oder vielleicht sogar deshalb - gut im Geschäft.

Was ich definitiv richtig gemacht habe und was mir bis heute garantiert, dass ich in den Genuss von Verfahren komme, die die Grenzen meines Gerichtsbezirks weit überschreiten, ist die Mitgründung der Bundesvereinigung der Fachanwälte für Strafrecht, deren Vorstand ich seit 2004 angehöre. Der Kollege Werner "Kantholz" Siebers hatte die Idee dazu und darf zurecht stolz darauf sein, dass es ihm gelungen ist, über die Jahre das Netzwerk um Kolleginnen und Kollegen zu erweitern, die im Strafrecht ihre Berufung gefunden haben.

Das Geld für die Mediationsausbildung, die ich 2005 gemacht habe, hätte ich rückblickend betrachtet besser zum Fenster hinaus geworfen, denn so hätte ich es wenigstens klimpern hören. In der Folgezeit ist es mir nie gelungen, auch nur einen einzigen Mediationsfall zu aquierieren. Irgendwie scheint niemand zu denken, dass ich diplomatische Fähigkeiten haben könnte.

Besser angelegt war das Geld im Fachanwalt für Strafrecht, einem Masterstudiengang im "Law and Legal Practice" sowie einem Zertifikatsstudium zum Berater für Steuerstrafrecht. Aktuell überlege ich, was ich als Nächstes studieren soll, denn Eines habe ich über die Jahre auch gelernt - ohne Fort- und Weiterbildung kann man sich, gerade wenn man als Einzelanwalt tätig ist, definitiv nicht behaupten.

Die nächsten Jahre sind demnach voll mit weiteren Projekten. Meine Autorentätigkeit für ZAP, Juris und den C.F. Müller Verlag möchte ich beibehalten, ich möchte endlich wieder diesen Blog mit Leben füllen und ansonsten darf es gerne so weiterlaufen wie bisher, auch wenn es nicht immer einfach ist.

Bis hierher vielen Dank an alle Weggefährten, die mir den Weg erleichtert haben, an meine Familie, die mehr als einmal auf mich verzichten musste, weil ich in Sachen Strafverteidigung unterwegs war, an die vielen Kollegen, mit denen ich verteidigen durfte und darf und nicht zuletzt an meine Mandanten.

Ich trinke heute Abend ein Jägermeisterchen auf Euch. ;)

 

 

 


Freitag, 21. Oktober 2022

Es ist wieder da!

Nicht "Er ist wieder da", sondern "Es ist wieder da". Gemeint ist damit keine non-binäre Person, sondern schlicht ein Buch. Nun mag das Lesen von Büchern eine Beschäftigung darstellen, die ein wenig aus der Mode gekommen zu sein scheint; dennoch empfehle ich diese durchweg analoge Beschäftigung hiermit generell und besonders natürlich bezogen auf dieses Werk:

https://www.otto-schmidt.de/anwaltformulare-strafrecht-9783811487499

AnwaltFormulare Strafrecht

Herausgegeben von Steffen Breyer, Maximilian Endler und Anja Sturm, ist gestern AnwaltFormulare Strafrecht im C.F. Müller Verlag erschienen.

Wie bereits in den Vorauflagen, durfte ich zwei Kapitel dazu beitragen, darunter eines zu meinem Lieblingsthema "Befangenheit". Wer also immer schon mal wissen wollte, weshalb Schöffen, die Schokoladennikoläuse an Staatsanwälte verteilen, als befangen anzusehen sind, der kann dies hier nachlesen. Praktischerweise war der Befangenheitsantrag seinerzeit in einem Verfahren gestellt worden, in dem ich verteidigt habe, so dass ich sozusagen aus erster Hand berichte.

Warum schreibt man als Anwalt eigentlich Bücher? Ganz sicher nicht, weil man damit reich würde. Das Salär ist überschaubar und die vielen Arbeitsstunden, die in jedem Kapitel stecken, rechnet man besser nicht aus.

An die "Love-me-Wall" kann man sich das Buch im Gegensatz zu den FOCUS-Urkunden nicht hängen und eine Vitrine, in der ich bei Kollegen von Einträgen aus dem "Who is who" bis hin zu selbst gebastelten Modellautos schon allerlei sonderliche Dinge gesehen habe, besitze ich nicht.

Der Umstand, dass man die Arbeitsstunden von der Rechtsanwaltskammer als Fortbildungsstunden für den Fachanwaltstitel anerkannt erhält, ist angenehmer Effekt, aber gewiss nicht der Motor, der einen antreibt, Entscheidungen zusammenzutragen, Anträge zu formulieren, Rechtsprechung zu lesen und der Familie zu vermitteln, dass man Druckfahnen lesen muss anstatt den Geburtstag von Tante Gertrud mit zu feiern.

In meinem Fall ist es die Freude daran, sich mit Themen ein wenig wissenschaftlicher auseinander zu setzen als dies im Anwaltsalltag oftmals möglich ist. Gerade bei der Abfassung eines Befangenheitsgesuchs in laufender Hauptverhandlung fehlt die Zeit für Ausführungen in epischer Breite und tiefergehende Überlegungen. Kennt man aber eine große Zahl von Entscheidungen zu diesem Thema, fällt es zum Einen leichter, den Mandanten zu beraten und zum Anderen ist die Gefahr, an Formalien zu scheitern, die aus einem an sich begründeten Gesuch eine peinliche, da unzulässige Aktion machen, minimiert.

Ich habe nie mit den anderen Autoren darüber gesprochen, was genau sie antreibt, aber ich bin sicher, dass das Schreiben von Büchern nichts für Leute ist, die sich mit einem "Dünndrüber" zufrieden geben.In diesem Sinne ist dieses Buch nicht für Kollegen verfasst, die meinen, das bisschen Strafrecht könne man mal so nebenbei erledigen und die deshalb früher oder später von der prozessualen Realität schmerzhaft eingeholt werden.

Den Lesern und Anwendern der AnwaltFormulare Strafrecht wünsche ich viele gute Anregungen beim Kampf um´s Recht. Denjenigen Kollegen, die mich in den vergangenen Jahren seit Erscheinen der 4. Auflage mit selbst erstrittenen Entscheidungen versorgt haben, möchte ich danken. Ohne sie kann sich Rechtsprechung nicht weiterentwickeln, kann Mandanten nicht zu ihrem Recht verholfen werden und können Bücher nicht geschrieben werden.

 


 

Samstag, 11. September 2021

Wie läuft´s denn so in Stuttgart?

Diese Frage stellt man mir seit April diesen Jahres häufiger. Der jeweilige Fragensteller möchte damit wissen, ob ich es schon bereut habe, die Verteidigung eines Angeklagten in einem Umfangsverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart übernommen zu haben, dem die Generalbundesanwaltschaft zusammen mit 11 weiteren Männern die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorwirft.

Um es vorweg zu nehmen: nein, ich habe es nicht bereut und das hat verschiedene Gründe.

Zunächst einmal ist es so, dass man nicht alle Tage in einem Terrorismusverfahren vor einem OLG-Senat verteidigen darf. Häufig sind die Angeklagten in solchen Verfahren einem anderen Geschlecht und einer anderen Religion als ich zugehörig, was mich von vorneherein auf der Liste der möglichen Verteidiger ganz weit nach hinten katapultiert. Mit derlei Ausschlusskriterien hat man in diesem Verfahren, in dem ausschließlich Deutsche angeklagt sind, als Frau nicht zu kämpfen und so sind wir immerhin 4 von 24 Verteidigern.

Weiter ist es bei einem OLG-Senat ein gutes Stück formaler als beim Amtsgericht um die Ecke, was die juristische Arbeit deutlich in den Vordergrund rückt und allen Beteiligten eine Art unaufgeregte Disziplin auferlegt, wie man sie sich manchmal in Verfahren vor Amts- und Landgerichten wünscht.

In dem Verfahren, das in der Presse schlagwortartig als "Gruppe S. Prozess" benannt ist, soll geklärt werden, ob die 12 Angeklagten sich zu einer terroristischen Vereinigung zusammengeschlossen haben mit dem Ziel, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu gefährden u.a. durch geplante Anschläge auf Moscheen und Politiker.

Die Anklage stützt sich in weiten Teilen auf die Angaben eines Angeklagten, der eine Zwitterrolle einnimmt. Er hatte die Ermittlungsbehörden mit Informationen versorgt, deren Wahrheitsgehalt einer kleinschrittigen Überprüfung bedarf und ist somit untechnisch gesprochen Angeklagter und Zeuge in Personalunion. Der heute 49jährige kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken, das örtlich betrachtet über eine lange Distanz statisch verlief, befand er sich doch annähernd 21 Jahre in amtlicher Obhut, abwechselnd in Justizvollzugs- und Maßregelvollzugsanstalten. Derzeit ist ein psychiatrischer Sachverständiger damit befasst, ihn zu explorieren.

Daneben werden gigabyteweise Telekommunikationsüberwachungen eingeführt, was keinesfalls vergnügungssteuerpflichtig ist, vor allem dann nicht, wenn die Überwachten vor Betätigung der Tastatur dem Alkohol zugesprochen haben und man in weiten Teilen allerlei Dinge erfährt, die man am Liebsten gar nicht hören mag, angefangen bei cellulitär bedingten Eheproblemen über Wallhall´sche Zutrittsvoraussetzungen bis hin zu Ausführungen über Chemtrails mit Aluminiumbarium. 

Trotz derlei Perlen verstörender Kommunikation verläuft das Verfahren in jeder Hinsicht diszipliniert. Wir tragen brav Masken und manchmal frage ich mich, ob es wohl auffallen würde, wenn ein Prozessbeteiligter ein ihm leidlich ähnlich sehendes Double schicken würde. Coronabedingt wurde uns Verteidigern ein Zelt zur Verfügung gestellt, da der Aufenthalt im Stammheimer Prozessgebäude in den Pausen untersagt ist. Besagtes Zelt ist eine Art Bierzelt. Es ist außen weiß und drin steht für jeden Verteidiger ein Tischchen und ein Stühlchen, letzteres ohne Husse wie man sie von Hochzeiten kennt, die auch gerne mal in solchen Zelten stattfinden. Zu dem von der Justiz zur Verfügung gestellten Kühlschrank und der Kaffeepadmaschine haben sich zwischenzeitlich ein Kaffeevollautomat und ein Drucker der Verteidigung gesellt, damit in den Pausen bei einem Tässchen Bohnenkaffee mal rasch ein Beweisantrag ausgedruckt werden kann. Anstelle von "rasch" sagt man in Stuttgart übrigens "g´schwind" und das sogar dann, wenn es gar nicht wirklich eilig ist, weshalb ich auch schon einige Male g´schwind g´wartet hab. Überhaupt versetzt mich die Sprache dort in eine von Pferdle und Äffle geprägte unterschichtsferne TV-Kindheit zurück und nach einem knappen halben Jahr habe ich den Ehrgeiz, bis zum Ende des Verfahrens, das noch in weiter Ferne liegt, das sympathische Schwäbisch zumindest halbwegs zu beherrschen.

Nicht verhehlen möchte ich, dass es natürlich Freude bereitet, jede Woche mit ebenso kompetenten wie liebgewonnenen Kollegen gemeinsam zu verhandeln. Einige kenne ich schon seit Jahrzehnten, habe etliche Verhandlungstage mit ihnen zusammen verteidigt in Gerichtssälen quer durch´s Land und andere lerne ich gerade im Ländle kennen und schätzen. 

Es läuft also in Stuttgart.



  

Mittwoch, 26. August 2020

Festschrift für einen besonderen Jubilar

Eine Festschrift? Ich habe diesen Begriff das erste Mal während meines Studiums gehört als es darum ging, eine Hausarbeit zu verfassen und man auf der Suche nach Literatur zu einem meist sehr speziellen Thema war und daran scheiterte, dass die großen Lehrbücher und Kommentare dieses Thema nicht so erschöpfend behandelten wie man es benötigte. Die Lösung lag meist darin, dass man Festschriften durchsah und wenn man Glück hatte, in diesen fündig wurde, weil irgendein Freund, Schüler oder Kollege eines Jubilars sich berufen sah, sein Lieblingsthema einmal etwas ausführlicher darzustellen.

Bis vor einigen Woche hatte ich noch keinen Gedanken daran verschwendet, einmal selbst Mitautor einer Festschrift zu sein. Zwar habe auch ich Lieblingsthemen und Kollegen, die ich besonders schätze, aber so eine Festschrift braucht neben einem Jubilar ja auch einen Verlag, in dem sie erscheinen kann, eine Handvoll Autoren, die Zeit, Lust und Ahnung haben, einen Beitrag zu schreiben und sie braucht einen Herausgeber. 

Der Herausgeber, Kumpel, Kollege und Mitstreiter in Personalunion, Marc N. Wandt aus Essen, rief mich vor einigen Wochen an: "Hömma, Detlef wird 70 im August. Wir wollen ihm ne Festschrift schenken. Biste dabei?"  - "Klar!" Und wie gerne war ich dabei. Gerne deshalb, weil Detlef Burhoff nicht nur wirklich viel für die Juristerei getan hat und noch tut, sondern auch, weil er obendrein auch noch ein wirklich feiner Mensch ist.

Heute, einen Tag nach seinem Wiegenfest, fand die feierliche Übergabe der Festschrift statt. Leider konnte ich nicht dabei sein, aber es sind zur Stunde etliche Kollegen dort, die das Ereignis und den Jubilar angemessen feiern.

Das Werk, von dem ich glaube, dass es demnächst nicht nur in meinem Bücherregal stehen wird, ist erschienen im ZAP-Verlag und trägt den Titel: 

Festschrift zum 70. Geburtstag von Detlef Burhoff.

Die darin enthaltenen Beiträge sind die Folgenden:

David Herrmann, Augsburg: Detlef Burhoff der Mensch und die Marke

Daniel Amelung, München: Die Freiheit der Mandatsannahme und die Ethik der Strafverteidigung

Thorsten Hein, Bad Vilbel: Unzulässige Ordnungsmittel gegen Rechtsanwälte - der ewige Kampf um die Freiheit der Advokatur

Anika Klein, Weimar: Die tatsächliche Benachteiligung von Jugendlichen und Heranwachsenden durch die Diversionspraxis

Mirko Laudon, Hamburg/Berlin: Aussage gegen Aussage und Falschbeschuldigung im 
Sexualstrafrecht

Tim Lorenzen, Berlin: § 353d StGB - Annäherung an eine “Dunkelnorm“ oder der arme “Blogger“

Dr. Tobias Rudolph: Pflichtverteidigung wider Willen

Kerstin Rueber-Unkelbach: Ablehnung von Sachverständigen und Dolmetschern in der Praxis

Timo Scharrmann, Essen/Schwelm: Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Strafrechtspflege oder die Abschaffung der an der Rechtsprechung Beteiligten

Heinrich Schmitz, Euskirchen: Kiffen verboten - Der Unsinn des BtmG

Dr. Olaf Schröder, Halberstadt: "Schwer zu befolgen..." Aktuelle Fragen zur nachträglichen Gesamtstrafenbildung

Werner Siebers, Braunschweig, Halle/Saale: Von der Bedeutung der Bedeutungslosigkeit oder die "kleine Wahrunterstellung"

Harald Stehr, Göppingen: Die gesellschaftlichen Erwartungen an einen Strafverteidiger und die Unterscheidung anhand gängiger Verteidigertypen

Michael Stephan, Dresden: Beweisverwertungsverbote wegen Verfahrensfehlern bei der Verhaftung im Ermittlungsverfahren unter Berücksichtigung der Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung

Ingo Klaus Wamser, Passau: Der anwaltsgerichtliche Nachschlag

Nico Werning, München: Berichterstattung aus laufender Hauptverhandlung im Widerstreit zwischen Pressefreiheit und Wahrheitssuche

Dr. Mathias Grün, Hans-Peter Grün und Michael Grün, Saarbrücken: Die Rohmessdaten im Bußgeldverfahren

Marc N. Wandt, Essen: Quo vadis, Bußgeldverfahren?

Wolfgang Stahl, Koblenz: Die Festsetzung der Pauschgebühr für das vorbereitende Verfahren

Joachim Volpert: Prozesskostenhilfe in Strafsachen - Vergütungsansprüche gegen die Staatskasse

Das Werk ist 293 Seiten stark. Ich freue mich schon auf die Lektüre und auf die Fortsetzung der Festschriftenreihe. 

@Detlef Burhoff: Zum 75. Geburtstag schreib ich dann was zum Jagdrecht. Versprochen. ;)

Mittwoch, 18. März 2020

Tante beA hat Corona

Die Coronakrise hat ein neues Opfer - das besondere elektronische Anwaltspostfach. Das beA wäre an sich keine schlechte Idee, wenn es denn funktionieren würde... ich habe hier und hier und auch hier vor Jahren schon einmal berichtet. In guten Zeiten war ich übrigens kurz davor, mein beA-Postfach dahingehend zu erweitern, dass ich nicht nur Nachrichten erhalten, sondern künftig auch senden kann. Das hätte dann anstatt 29 € 49 € pro Jahr gekostet. 20 € sind eine überschaubare Summe, sicher, aber dann eine ärgerliche Ausgabe, wenn das Programm nicht tut, was es soll und das tut es wieder einmal nicht.

Seit Tagen ist der Server nicht, bestenfalls eingeschränkt erreichbar und folglich funktioniert die Kommunikation nur über herkömmliche Wege wie Post oder Fax.

Sollte sich also der ein oder andere Mandant wundern, weshalb er noch nichts von "seinem Fall" gehört hat, liegt das nicht an der Nachlässigkeit des Anwalts, sondern schlicht daran, dass er keine Post erhält, die er bearbeiten und weiterleiten könnte.

Corona verlangt uns allen Geduld ab, das beA tut dies schon länger. Trotz täglich neuer Schreckensnachrichten in Sachen Corona tippe ich, dass die Coronakrise schneller überwunden sein wird als dass beA nachhaltig fehlerfrei läuft.

Mittwoch, 4. September 2019

Aktionsbüro Mittelrhein #3 - Hahn in Ruh


Hahn in Ruh ist ein Jagdsignal. Wenn es erklingt, ist die Jagd beendet.
Seit gestern 14.03 Uhr ist das Verfahren gegen meinen Mandanten beendet. Die Jagd, die im März 2012 mit einem robusten SEK-Einsatz in seiner Wohnung begonnen und der sich 22 Monate Untersuchungshaft angeschlossen hatten, ist vorbei. Genau 7 Jahre und 15 Tage dauerte das gerichtliche Verfahren. Es endete mit einer Einstellung nach §153 Abs. 2 StPO. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen meines Mandanten trägt die Staatskasse.

Der Vergleich mit der Jagd drängt sich angesichts des ehrgeizigen Plans, den man mit dem Verfahren verfolgte, auf.  Kurz nach den 26 Verhaftungen im März 2012 sprach der rheinland-pfälzische Innenminister Lewentz davon, das ABM “aufgebrochen“ zu haben. Mit “Stumpf und Stiel“ sollte “ausgerottet“ werden. Martialische Worte. Das Treiben hatte begonnen, 26 Beschuldigte waren gekesselt.

Die gut 900seitige Anklageschrift basierte auf dem Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung, deren Mitglieder Straftaten verabredet und durchgeführt haben sollten. Der Kitt der kriminellen Vereinigung führte dazu, dass einzelne Beschuldigte nicht losgelöst vom Vorwurf der angeblich kriminellen Vereinigung verurteilt werden konnten für Delikte, die sich nie im Bereich der Schwerkriminalität bewegten und bei isolierter Betrachtung allenfalls das Schöffengericht auf den Plan gerufen hätten. Dieses hätte die Vorwürfe dann in wenigen Hauptverhandlungstagen abgearbeitet und Entscheidungen zugeführt. Überlagert man indes Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen mit dem Vorwurf der kriminellen Vereinigung und findet dann noch ein Gericht, das diese Anklage eröffnet, dann ist das Anblasen entsprechend laut.

Dieses Verfahren wird Seinesgleichen suchen, aber nicht finden, formulierte es der damalige Vorsitzende der Staatsschutzkammer, unter dessen Ägide der Prozess am 20.8.2012 begonnen hatte.
Er sollte Recht behalten.

Die Angeklagten waren mit nur wenigen Ausnahmen - darunter diejenigen, die durch ihre Aussagen das Feld bereitet hatten  - in Haft und schwiegen zu den Vorwürfen. Nun ist Schweigen für die meisten Beschuldigten, die auf freiem Fuß sind, schon keine ganz so einfache Sache, wenn sogenannte milde Strafen locken. Unter Einzelhaftbedingungen in Justizvollzugsanstalten, die den Quer- und Längsschnitt der Schwerstkriminalität beherbergen, braucht es ein gesteigertes Maß an Disziplin. Ein Angeklagter, der sehr unter der Haftsituation gelitten hatte, war nach über einem Jahr Untersuchungshaft den Verlockungen erlegen. Aussage gegen Freiheit, lautete der Deal. Hiervon angekirrt, sagte er aus und - blieb in U-Haft. Seine Aussage war nicht umfassend genug. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war klar, dass es keine  Aussagen mehr geben würde.

Kleinschrittig wurde Bagatelldelikten nachgegangen, deren zugrundeliegende Ermittlungen sich nicht selten als lückenhaft erwiesen. Monatelang hörten wir die Mitschnitte der Telefonüberwachung, die eine Banalität nach der anderen offenbarten. Die Bestellung von Hosen mit “Rheinland“-Aufschrift beispielsweise und die damit einhergehende Diskussion, wie welches Beinkleid gemessen bei welcher Größe wohl ausfällt, hatte einen Lachkrampf nicht nur des Vorsitzenden zur Folge. Zwischendurch blieben zwei Schöffen auf der Strecke aufgrund von Nachlässigkeiten mit dem Mobiltelefon und unbotmäßigen Sympathiebekundungen gegenüber der Staatsanwaltschaft in Gestalt von Schokoladennikoläusen. Beide Vorfälle sind übrigens bis heute gern bemühte Prüfungsfälle in juristischen Staatsexamina.
Akribisch wurde die Aussage desjenigen Angeklagten, der bis kurz vor Ende des dritten Anlaufs nebst mehreren Zeugenschutzbeamten im Verfahren saß und eine neunmonatige Bewährungsstrafe kassierte, seziert und Widersprüche wurden herausgearbeitet.
Die Zeugen des ersten Durchgangs wären im Grunde einen eigenen Beitrag wert. Zusammengefasst kann man sagen, dass die Biozönose der menschlichen Beweismittel vielfältiger kaum hätte sein können. Von stramm rechts über radikal links bis hin zu genderverwirrt war so ziemlich alles dabei.

Die Stimmung im ersten Durchgang war von Beginn an von einer harten Gangart geprägt. Auf der einen Seite eine Kammer, die die Anklage gegen 26 Angeklagte zugelassen hatte in dem Bestreben, möglichst rasch zum Ende zu kommen und auf der anderen Seite die große Zahl der schweigenden Angeklagten, flankiert von Verteidigern, die gar nicht daran dachten, auch nur einen Meter Boden dranzugeben.
Und so zog sich das Verfahren hin. Nachdem Anfang 2014 auch die letzten Angeklagten nach exakt 666 Tagen aus der Untersuchungshaft entlassen worden waren, vergingen fast 3 weitere Jahre bis die Kammer das Verfahren wegen überlanger Dauer im Mai 2017 einstellte und deren Vorsitzender im Juni 2017 in Pension ging.

Mit der Einstellung hätte es eine Art Burgfrieden geben können, aber der Beschwerde der Staatsanwaltschaft gab das OLG statt und es wurde zu Runde 2 geblasen.
Dem Vorsitzenden der neuen Kammer, Vizepräsident des Landgerichts und politisch betrachtet weit entfernt von den Angeklagten als Mitglied einer ehemaligen Volkspartei, die auf eine Prozentmarke zusteuert, die man von H-Milch-Packungen kennt, oblag die Aufgabe, das waidwunde Verfahren abzufangen.

Der zweite Anlauf dauerte nur kurz. Diesmal scheiterte es an der Geschäftsverteilung.

Ende Februar diesen Jahres das dritte Halali. Leiser als im August 2012, ohne Parforce. Gleiche Kammer, gleicher Saal, 16 Angeklagte und von Beginn an die Ansage der Kammer, dass sie nicht gedenke, dem Vorwurf der kriminellen Vereinigung nachzugehen. So heruntergefahren auf einzelne Delikte war schnell klar, dass hier mit dem pragmatischen Besen gekehrt werden sollte, zumal Presse und Öffentlichkeit nach dem “Scheitern“ des ersten Anlaufs weder mit Kritik noch mit Spott gespart und die Verfahrenskosten eine gesunde zweistellige Millionenhöhe erreicht hatten.

Von da an ging es Schlag auf Schlag. Ein Angeklagter nach dem anderen wurde abgetrennt und meist im Zuge eines Termins entweder abgeurteilt oder eingestellt, derweil die Beweisaufnahme eine Geschwindigkeit aufnahm, die man eingedenk des ersten Anlaufs nur als rasant bezeichnen kann. Bisweilen gelang es, mehrere Zeugen an einem Tag zu vernehmen. Je mehr man es sich als Verteidiger vorgenommen hatte, einen Zeugen ausgiebig zu befragen, desto spärlicher schien es um dessen Erinnerung bestellt. Die Kammer ging den Anträgen der Verteidigung bereitwillig nach. Auch das war neu. Dank dieser Vorgehensweise bin ich mir nach Einvernahme einer Kunstprofessorin einmal mehr sicher, dass ich für die Filigranitäten der Fluxuskunst zu grob gestrickt bin. 
Der Vorsitzende, der bis dato nur beim Amtsgericht Strafsachen verhandelt hatte, verwaltete die Insolvenzmasse des Verfahrens mit beachtlichem Fingerspitzengefühl. Die Worte, die er nach Beendigung an jeden einzelnen Angeklagten richtete, klangen ehrlich. Sie waren geprägt von Bedauern ob der Länge des Verfahrens, von Kritik ob der Haft sowie dem Wunsch, dass es gelingen möge, einen Neuanfang ohne den Ballast des Verfahrens zu finden.

Mein Mandant, Bundesvorsitzender einer rechten Kleinstpartei, gehörte zu denjenigen Angeklagten, die während des Prozesses weiter politisch aktiv waren. Man mag die Richtung der Politik nicht gut finden, aber daran, dass man ihr seitens der Kammer keine Beachtung schenkte bei der Einordnung strafrechtlicher Sachverhalte, erkennt man die Stärke eines Rechtsstaats ebenso wie an Verteidigern, die bereit sind, auch lange Wege mit ihren Mandanten zurückzulegen. Wenn diese dann zu einem Ziel führen, für das man, hätte man es zu Beginn des Verfahrens als solches formuliert, ausgelacht worden wäre, dann weiß man, dass es richtig war, ihn zu beschreiten.

Für meinen Mandanten, meinen Mitverteidiger Werner Siebers und mich ging gestern ein solches Verfahren zu Ende. Es hat Seinesgleichen gesucht, aber nicht gefunden. 
Der Vorsitzende formulierte: “Es ist vorbei und es ist gut, dass es vorbei ist.“
Hahn in Ruh.





Dienstag, 3. September 2019

Aktionsbüro Mittelrhein #3 - Der Letzte macht das Licht aus

Um 14.03 Uhr wurde das Verfahren gegen meinen Mandanten und einen Mitangeklagten nach §153 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Kosten und notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Das Verfahren gegen einen Angeklagten wird fortgesetzt.

Ein ausführlicher Bericht wird folgen.