tag:blogger.com,1999:blog-78929485835654821102024-02-20T05:28:07.744+01:00Strafverfahren - in Koblenz und anderswoIn diesem Blog berichtet Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. über Strafverfahren in und um die Rhein-Mosel-StadtKerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.comBlogger743125tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-25546930563032766922024-01-25T09:40:00.000+01:002024-01-25T09:40:51.988+01:0025 Jahre Kampf um´s Recht<p>Heute vor 25 Jahren wurde ich als Rechtsanwältin zugelassen und vereidigt. Ich erinnere noch, dass es eine Feierstunde in der Rechtsanwaltskammer gab, an der teilzunehmen mir irgendwie die Lust fehlte. Immerhin hatte ich im November das 2. Staatsexamen gemacht und befand mich seither in einer Warteschleife. </p><p>Den sofortigen Schritt in die Selbstständigkeit habe ich nie bereut und ich hatte das große Glück, dass dieser in den ersten Jahren flankiert wurde durch die Bürogemeinschaft mit Kollegen, die immer ein wachsames Auge auf mich hatten und aufgepasst haben, dass ich nicht unter Räder kam, die ich selbst manchmal noch nicht mal als solche erkannt hätte. <br /></p><p>Ich habe es auch nie bereut, dass ich keine freundschaftlichen Kontakte zu Richtern aufgebaut habe in der Hoffnung, montagsmorgens einen Stapel Akten im Gerichtsfach vorzufinden, in denen ich als Pflichtverteidiger beigeordnet worden war. Mir ist Dergleichen in den zweieinhalb Jahrzehnten kein Dutzend mal passiert, aber auf die Pflichtverteidigungen, die mir Richter haben zukommen lassen, bin ich ein wenig stolz. Dies, weil ich dann den Eindruck hatte, dass Interesse daran besteht, dass ein Beschuldigter aktiv verteidigt wird. Vor 25 Jahren war die Dichte an Strafverteidigern, die mehr das Urteil begleitet haben als Anträge zu stellen, nach meinem Eindruck höher als heutzutage. Ich erinnere eine Kollegin, die sich seinerzeit gewagt hatte, einen Schwurgerichtsvorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehen, weil dieser im Vorfeld zu einem Verfahren sinngemäß gesagt haben soll, er sehe den Angeschuldigten schon in der Unterbringung. Damals hatte die Ungeheuerlichkeit des Antrages hohe Wellen geschlagen und er war zurückgewiesen worden. Der Kollegin pfiff seither der Wind eher eisig um die Ohren, aber auch sie ist bis heute trotzdem - oder vielleicht sogar deshalb - gut im Geschäft. <br /></p><p>Was ich definitiv richtig gemacht habe und was mir bis heute garantiert, dass ich in den Genuss von Verfahren komme, die die Grenzen meines Gerichtsbezirks weit überschreiten, ist die Mitgründung der Bundesvereinigung der Fachanwälte für Strafrecht, deren Vorstand ich seit 2004 angehöre. Der Kollege Werner "Kantholz" Siebers hatte die Idee dazu und darf zurecht stolz darauf sein, dass es ihm gelungen ist, über die Jahre das Netzwerk um Kolleginnen und Kollegen zu erweitern, die im Strafrecht ihre Berufung gefunden haben.</p><p>Das Geld für die Mediationsausbildung, die ich 2005 gemacht habe, hätte ich rückblickend betrachtet besser zum Fenster hinaus geworfen, denn so hätte ich es wenigstens klimpern hören. In der Folgezeit ist es mir nie gelungen, auch nur einen einzigen Mediationsfall zu aquierieren. Irgendwie scheint niemand zu denken, dass ich diplomatische Fähigkeiten haben könnte. <br /></p><p>Besser angelegt war das Geld im Fachanwalt für Strafrecht, einem Masterstudiengang im "Law and Legal Practice" sowie einem Zertifikatsstudium zum Berater für Steuerstrafrecht. Aktuell überlege ich, was ich als Nächstes studieren soll, denn Eines habe ich über die Jahre auch gelernt - ohne Fort- und Weiterbildung kann man sich, gerade wenn man als Einzelanwalt tätig ist, definitiv nicht behaupten.</p><p>Die nächsten Jahre sind demnach voll mit weiteren Projekten. Meine Autorentätigkeit für ZAP, Juris und den C.F. Müller Verlag möchte ich beibehalten, ich möchte endlich wieder diesen Blog mit Leben füllen und ansonsten darf es gerne so weiterlaufen wie bisher, auch wenn es nicht immer einfach ist.</p><p>Bis hierher vielen Dank an alle Weggefährten, die mir den Weg erleichtert haben, an meine Familie, die mehr als einmal auf mich verzichten musste, weil ich in Sachen Strafverteidigung unterwegs war, an die vielen Kollegen, mit denen ich verteidigen durfte und darf und nicht zuletzt an meine Mandanten.</p><p>Ich trinke heute Abend ein Jägermeisterchen auf Euch. ;)<br /></p><p> <br /></p><p> </p><p> <br /></p><p><br /></p>Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-54237918639495316352022-10-21T14:40:00.000+02:002022-10-21T14:40:06.095+02:00Es ist wieder da!<p><span style="font-family: arial;">Nicht "Er ist wieder da", sondern "Es ist wieder da". Gemeint ist damit keine non-binäre Person, sondern schlicht ein Buch. Nun mag das Lesen von Büchern eine Beschäftigung darstellen, die ein wenig aus der Mode gekommen zu sein scheint; dennoch empfehle ich diese durchweg analoge Beschäftigung hiermit generell und besonders natürlich bezogen auf dieses Werk:</span></p><p><span style="font-family: arial;"></span>https://www.otto-schmidt.de/anwaltformulare-strafrecht-9783811487499</p><p><img alt="AnwaltFormulare Strafrecht" src="https://www.otto-schmidt.de/product/image/628d94f444d6a059227057.jpg" /> <br /></p><p><span style="font-family: arial;">Herausgegeben von Steffen Breyer, Maximilian Endler und Anja Sturm, ist gestern AnwaltFormulare Strafrecht im C.F. Müller Verlag erschienen.</span></p><p><span style="font-family: arial;">Wie bereits in den Vorauflagen, durfte ich zwei Kapitel dazu beitragen, darunter eines zu meinem Lieblingsthema "Befangenheit". Wer also immer schon mal wissen wollte, weshalb Schöffen, die Schokoladennikoläuse an Staatsanwälte verteilen, als befangen anzusehen sind, der kann dies hier nachlesen. Praktischerweise war der Befangenheitsantrag seinerzeit in einem Verfahren gestellt worden, in dem ich verteidigt habe, so dass ich sozusagen aus erster Hand berichte.</span></p><p><span style="font-family: arial;">Warum schreibt man als Anwalt eigentlich Bücher? Ganz sicher nicht, weil man damit reich würde. Das Salär ist überschaubar und die vielen Arbeitsstunden, die in jedem Kapitel stecken, rechnet man besser nicht aus.</span></p><p><span style="font-family: arial;">An die "Love-me-Wall" kann man sich das Buch im Gegensatz zu den FOCUS-Urkunden nicht hängen und eine Vitrine, in der ich bei Kollegen von Einträgen aus dem "Who is who" bis hin zu selbst gebastelten Modellautos schon allerlei sonderliche Dinge gesehen habe, besitze ich nicht.</span></p><p><span style="font-family: arial;">Der Umstand, dass man die Arbeitsstunden von der Rechtsanwaltskammer als Fortbildungsstunden für den Fachanwaltstitel anerkannt erhält, ist angenehmer Effekt, aber gewiss nicht der Motor, der einen antreibt, Entscheidungen zusammenzutragen, Anträge zu formulieren, Rechtsprechung zu lesen und der Familie zu vermitteln, dass man Druckfahnen lesen muss anstatt den Geburtstag von Tante Gertrud mit zu feiern.</span></p><p><span style="font-family: arial;">In meinem Fall ist es die Freude daran, sich mit Themen ein wenig wissenschaftlicher auseinander zu setzen als dies im Anwaltsalltag oftmals möglich ist. Gerade bei der Abfassung eines Befangenheitsgesuchs in laufender Hauptverhandlung fehlt die Zeit für Ausführungen in epischer Breite und tiefergehende Überlegungen. Kennt man aber eine große Zahl von Entscheidungen zu diesem Thema, fällt es zum Einen leichter, den Mandanten zu beraten und zum Anderen ist die Gefahr, an Formalien zu scheitern, die aus einem an sich begründeten Gesuch eine peinliche, da unzulässige Aktion machen, minimiert.</span></p><p><span style="font-family: arial;">Ich habe nie mit den anderen Autoren darüber gesprochen, was genau sie antreibt, aber ich bin sicher, dass das Schreiben von Büchern nichts für Leute ist, die sich mit einem "Dünndrüber" zufrieden geben.In diesem Sinne ist dieses Buch nicht für Kollegen verfasst, die meinen, das bisschen Strafrecht könne man mal so nebenbei erledigen und die deshalb früher oder später von der prozessualen Realität schmerzhaft eingeholt werden.</span></p><p><span style="font-family: arial;">Den Lesern und Anwendern der AnwaltFormulare Strafrecht wünsche ich viele gute Anregungen beim Kampf um´s Recht. Denjenigen Kollegen, die mich in den vergangenen Jahren seit Erscheinen der 4. Auflage mit selbst erstrittenen Entscheidungen versorgt haben, möchte ich danken. Ohne sie kann sich Rechtsprechung nicht weiterentwickeln, kann Mandanten nicht zu ihrem Recht verholfen werden und können Bücher nicht geschrieben werden. <br /></span></p><p><span style="font-family: arial;"> <br /></span></p><p><span style="font-family: arial;"><br /></span></p><p><span style="font-family: arial;"> </span><br /></p>Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-87285973552323806482021-09-11T14:48:00.002+02:002021-09-11T17:36:00.052+02:00Wie läuft´s denn so in Stuttgart?<p><span style="font-family: arial;">Diese Frage stellt man mir seit April diesen Jahres häufiger. Der jeweilige Fragensteller möchte damit wissen, ob ich es schon bereut habe, die Verteidigung eines Angeklagten in einem Umfangsverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart übernommen zu haben, dem die Generalbundesanwaltschaft zusammen mit 11 weiteren Männern die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorwirft.</span></p><p><span style="font-family: arial;">Um es vorweg zu nehmen: nein, ich habe es nicht bereut und das hat verschiedene Gründe.</span></p><p><span style="font-family: arial;">Zunächst einmal ist es so, dass man nicht alle Tage in einem Terrorismusverfahren vor einem OLG-Senat verteidigen darf. Häufig sind die Angeklagten in solchen Verfahren einem anderen Geschlecht und einer anderen Religion als ich zugehörig, was mich von vorneherein auf der Liste der möglichen Verteidiger ganz weit nach hinten katapultiert. Mit derlei Ausschlusskriterien hat man in diesem Verfahren, in dem ausschließlich Deutsche angeklagt sind, als Frau nicht zu kämpfen und so sind wir immerhin 4 von 24 Verteidigern.</span></p><p><span style="font-family: arial;">Weiter ist es bei einem OLG-Senat ein gutes Stück formaler als beim Amtsgericht um die Ecke, was die juristische Arbeit deutlich in den Vordergrund rückt und allen Beteiligten eine Art unaufgeregte Disziplin auferlegt, wie man sie sich manchmal in Verfahren vor Amts- und Landgerichten wünscht.</span></p><p><span style="font-family: arial;">In dem Verfahren, das in der Presse schlagwortartig als "Gruppe S. Prozess" benannt ist, soll geklärt werden, ob die 12 Angeklagten sich zu einer terroristischen Vereinigung zusammengeschlossen haben mit dem Ziel, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu gefährden u.a. durch geplante Anschläge auf Moscheen und Politiker.</span></p><p><span style="font-family: arial;">Die Anklage stützt sich in weiten Teilen auf die Angaben eines Angeklagten, der eine Zwitterrolle einnimmt. Er hatte die Ermittlungsbehörden mit Informationen versorgt, deren Wahrheitsgehalt einer kleinschrittigen Überprüfung bedarf und ist somit untechnisch gesprochen Angeklagter und Zeuge in Personalunion. Der heute 49jährige kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken, das örtlich betrachtet über eine lange Distanz statisch verlief, befand er sich doch annähernd 21 Jahre in amtlicher Obhut, abwechselnd in Justizvollzugs- und Maßregelvollzugsanstalten. Derzeit ist ein psychiatrischer Sachverständiger damit befasst, ihn zu explorieren.</span></p><p><span style="font-family: arial;">Daneben werden gigabyteweise Telekommunikationsüberwachungen eingeführt, was keinesfalls vergnügungssteuerpflichtig ist, vor allem dann nicht, wenn die Überwachten vor Betätigung der Tastatur dem Alkohol zugesprochen haben und man in weiten Teilen allerlei Dinge erfährt, die man am Liebsten gar nicht hören mag, angefangen bei cellulitär bedingten Eheproblemen über Wallhall´sche Zutrittsvoraussetzungen bis hin zu Ausführungen über Chemtrails mit Aluminiumbarium. </span></p><p><span style="font-family: arial;">Trotz derlei Perlen verstörender Kommunikation verläuft das Verfahren in jeder Hinsicht diszipliniert. Wir tragen brav Masken und manchmal frage ich mich, ob es wohl auffallen würde, wenn ein Prozessbeteiligter ein ihm leidlich ähnlich sehendes Double schicken würde. Coronabedingt wurde uns Verteidigern ein Zelt zur Verfügung gestellt, da der Aufenthalt im Stammheimer Prozessgebäude in den Pausen untersagt ist. Besagtes Zelt ist eine Art Bierzelt. Es ist außen weiß und drin steht für jeden Verteidiger ein Tischchen und ein Stühlchen, letzteres ohne Husse wie man sie von Hochzeiten kennt, die auch gerne mal in solchen Zelten stattfinden. Zu dem von der Justiz zur Verfügung gestellten Kühlschrank und der Kaffeepadmaschine haben sich zwischenzeitlich ein Kaffeevollautomat und ein Drucker der Verteidigung gesellt, damit in den Pausen bei einem Tässchen Bohnenkaffee mal rasch ein Beweisantrag ausgedruckt werden kann. Anstelle von "rasch" sagt man in Stuttgart übrigens "g´schwind" und das sogar dann, wenn es gar nicht wirklich eilig ist, weshalb ich auch schon einige Male g´schwind g´wartet hab. Überhaupt versetzt mich die Sprache dort in eine von Pferdle und Äffle geprägte unterschichtsferne TV-Kindheit zurück und nach einem knappen halben Jahr habe ich den Ehrgeiz, bis zum Ende des Verfahrens, das noch in weiter Ferne liegt, das sympathische Schwäbisch zumindest halbwegs zu beherrschen.</span></p><p><span style="font-family: arial;">Nicht verhehlen möchte ich, dass es natürlich Freude bereitet, jede Woche mit ebenso kompetenten wie liebgewonnenen Kollegen gemeinsam zu verhandeln. Einige kenne ich schon seit Jahrzehnten, habe etliche Verhandlungstage mit ihnen zusammen verteidigt in Gerichtssälen quer durch´s Land und andere lerne ich gerade im Ländle kennen und schätzen. </span></p><p><span style="font-family: arial;">Es läuft also in Stuttgart.</span></p><p><br /></p><p><br /></p><p> </p>Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-3281084457107681392021-03-08T09:42:00.000+01:002021-03-08T09:42:04.038+01:00Coronare Verteidigung<p><span style="font-family: arial;">Kürzlich fragte mich ein Bekannter, wie denn Strafverteidigung in Pandemiezeiten so funktioniere.</span></p><p><span style="font-family: arial;">Soviel vorweg - es funktioniert. Irgendwie. Die konkrete Ausgestaltung dieses "Wie" ist uneinheitlich.<br /></span></p><p><span style="font-family: arial;">Viele Gerichte heben Termine in nicht eilbedürftigen Sachen von Amts wegen auf, andere, wie beispielsweise das Amts- und Landgericht Koblenz lassen Termine auch in Nichthaftsachen bestehen. Die Gerichte treffen Vorkehrungen in Gestalt von Plexiglasscheiben, geöffneten Fenstern und Ventilatoren, die das subjektive Sicherheitsgefühl stärken bei ansonsten für mich unklarer objektiver Präventivwirkung und es gibt bei jedem Gericht Einlasskontrollen. Die Richter gehen unterschiedlich mit der Situation um. Manche sitzen mit FFP2-Maske hinter der Plexiglasscheibe, andere verhandeln ohne Masken in größeren Sälen mit reichlich Abstand zu den übrigen Prozessbeteiligten. Als Verteidiger steht es einem in der Regel frei, sowohl mit Maske als auch mit Winterjacke oder Heizweste unter der Robe zu verhandeln. Alles in Allem lässt man Vorsicht walten.</span></p><p><span style="font-family: arial;">Dennoch gibt es Ausreißer. Ein Beispiel von herausragender Unbekümmertheit begegnete mir kurz von Lockdown Nr. 2 bei einem Jugendschöffengericht. Mein Mandant war angeklagt wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung und gefährlicher Körperverletzung. Der Vorfall sollte sich vor drei Jahren ereignet haben. Der geneigte Leser erkennt: keine Haftsache, ergo keine Eilbedürftigkeit. Die Richterin hatte zunächst drei Hauptverhandlungstage angesetzt um das Geschehen aufzuklären. Gleich am ersten Tag staunte ich bereits ob der Größe des Sitzungssaales, der für Einzelrichtersachen tauglich war, ganz gewiss aber nicht für Schöffensachen. Zu Beginn der Hauptverhandlung hielten sich insgesamt 11 Personen im Saal auf (Richterin, 2 Schöffen, Protokollführer, Staatsanwalt, Vertreter der Jugendgerichtshilfe, Verteidigung, Angeklagter, drei Zuschauer), womit es recht kuschelig war. Immerhin hatten mein Mandant und ich den Fensterplatz erwischt; die Maske behielt ich auf.</span></p><p><span style="font-family: arial;">Eingangs der Verhandlung verkündete die zu diesem Zeitpunkt noch gut gelaunte Vorsitzende, der Zeuge A. könne heute nicht erscheinen, er habe "Fieber und so" und das Ergebnis des Coronatests sei frühestens am Folgetag zu erwarten. Seine Lebensgefährtin, die ebenfalls für heute geladen sei, bringe praktischerweise das ihren Liebsten betreffende ärztliche Attest für ihre auf 11 Uhr angesetzte Vernehmung mit. Falls einer der Anwesenden bis dahin noch ein wenig schläfrig war, wachte er durch das sich anschließende Wortgefecht zwischen der Vorsitzenden und mir auf. Mein Einwand, dass ich nicht bereit sei, mit einer Person in einem Raum zu sein, deren Lebenspartner Symptome einer Infektion aufweise, die ich mir ungern einfangen würde, wurde mit einem schnippischen "Wir wissen doch gar nicht, ob er Corona hat. Das Testergebnis ist doch noch gar nicht da!", quittiert.</span></p><p><span style="font-family: arial;">Ich denke, sie erwartete kein "Ach so, nee, ist klar, dann können wir ja loslegen", jedenfalls war sie von meinem Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung zur Vorbereitung eines Antrages nicht überrascht und gab dem Antrag statt.</span></p><p><span style="font-family: arial;">Bevor ich zum Füller griff, griff ich erstmal zum Handy und rief die Wachtmeisterei an. Dem freundlichen Justizwachtmeister sagte ich, dass gegen 11 Uhr die Zeugin B. komme, deren Lebensgefährte unter Coronaverdacht stünde. Vielleicht sei dies ja für den ein oder anderen seiner Kollegen am Eingang von Interesse, die die Dame ja kontrollieren würden. </span></p><p><span style="font-family: arial;">Was danach passierte, kann ich nur mutmaßen. Denkbar scheint, dass der Wachtmeister die Information weitergegeben hat an Personen, denen die Nonchalance mit dem Virus ebenso abgeht wie mir. Vielleicht haben auch die Schöffen Bedenken angemeldet, ich habe es nie erfahren. Noch während ich dabei war, meinen Antrag zu formulieren, erschien die Vorsitzende und verkündete, sie habe die Zeugin abgeladen und werde sie zu einem der anderen Termine erneut laden. Sie selbst habe zwar keine Bedenken wegen Corona, aber - genervte Tonlage - bitte sehr. Danke sehr für so viel Einsicht an einem noch jungen Morgen.</span></p><p><span style="font-family: arial;">Das Verhandlungsklima im Folgenden unterschritt die von draußen hereinsträmende winterliche Luft, das Ergebnis hingegen erwärmte das Gemüt. Das Verfahren gegen meinen Mandanten wurde eingestellt.</span><br /></p><p> <br /></p>Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-17091995995492317592020-08-26T20:55:00.004+02:002020-08-27T02:31:15.525+02:00Festschrift für einen besonderen Jubilar<div><span style="font-family: arial; font-size: medium;">Eine <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Festschrift">Festschrift</a>? Ich habe diesen Begriff das erste Mal während meines Studiums gehört als es darum ging, eine Hausarbeit zu verfassen und man auf der Suche nach Literatur zu einem meist sehr speziellen Thema war und daran scheiterte, dass die großen Lehrbücher und Kommentare dieses Thema nicht so erschöpfend behandelten wie man es benötigte. Die Lösung lag meist darin, dass man Festschriften durchsah und wenn man Glück hatte, in diesen fündig wurde, weil irgendein Freund, Schüler oder Kollege eines Jubilars sich berufen sah, sein Lieblingsthema einmal etwas ausführlicher darzustellen.</span></div><div><span style="font-family: arial;"><span style="font-size: medium;"></span><br /></span></div><div><span style="font-family: arial; font-size: medium;">Bis vor einigen Woche hatte ich noch keinen Gedanken daran verschwendet, einmal selbst Mitautor einer Festschrift zu sein. Zwar habe auch ich Lieblingsthemen und Kollegen, die ich besonders schätze, aber so eine Festschrift braucht neben einem Jubilar ja auch einen Verlag, in dem sie erscheinen kann, eine Handvoll Autoren, die Zeit, Lust und Ahnung haben, einen Beitrag zu schreiben und sie braucht einen Herausgeber. </span></div><div><span style="font-family: arial; font-size: medium;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial; font-size: medium;">Der Herausgeber, Kumpel, Kollege und Mitstreiter in Personalunion, Marc N. Wandt aus Essen, rief mich vor einigen Wochen an: "Hömma, Detlef wird 70 im August. Wir wollen ihm ne Festschrift schenken. Biste dabei?" - "Klar!" Und wie gerne war ich dabei. Gerne deshalb, weil Detlef Burhoff nicht nur wirklich viel für die Juristerei getan hat und noch tut, sondern auch, weil er obendrein auch noch ein wirklich feiner Mensch ist.</span></div><div><span style="font-family: arial;"><span style="font-size: medium;"></span><br /></span></div><div><span style="font-family: arial; font-size: medium;">Heute, einen Tag nach seinem Wiegenfest, fand die feierliche Übergabe der Festschrift statt. Leider konnte ich nicht dabei sein, aber es sind zur Stunde etliche Kollegen dort, die das Ereignis und den Jubilar angemessen feiern.</span></div><div><span style="font-family: arial;"><span style="font-size: medium;"></span><br /></span></div><div><span style="font-family: arial; font-size: medium;">Das Werk, von dem ich glaube, dass es demnächst nicht nur in meinem Bücherregal stehen wird, ist erschienen im ZAP-Verlag und trägt den Titel: </span></div><div><span style="font-family: arial; font-size: medium;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial; font-size: medium;"><b>Festschrift zum 70. Geburtstag von Detlef Burhoff</b>.</span></div><div><span style="font-family: arial;"><span style="font-size: medium;"></span><br /></span></div><div><span style="font-family: arial; font-size: medium;">Die darin enthaltenen Beiträge sind die Folgenden:</span></div><div><span style="font-family: arial;"><span style="font-size: medium;"></span><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">David Herrmann, Augsburg: Detlef Burhoff der Mensch und die Marke</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Daniel Amelung, München: Die Freiheit der Mandatsannahme und die Ethik der Strafverteidigung</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Thorsten Hein, Bad Vilbel: Unzulässige Ordnungsmittel gegen Rechtsanwälte - der ewige Kampf um die Freiheit der Advokatur</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Anika Klein, Weimar: Die tatsächliche Benachteiligung von Jugendlichen und Heranwachsenden durch die Diversionspraxis</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Mirko Laudon, Hamburg/Berlin: Aussage gegen Aussage und Falschbeschuldigung im </span></div><div><span style="font-family: arial;">Sexualstrafrecht</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Tim Lorenzen, Berlin: § 353d StGB - Annäherung an eine “Dunkelnorm“ oder der arme “Blogger“</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Dr. Tobias Rudolph: Pflichtverteidigung wider Willen</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Kerstin Rueber-Unkelbach: Ablehnung von Sachverständigen und Dolmetschern in der Praxis</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Timo Scharrmann, Essen/Schwelm: Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Strafrechtspflege oder die Abschaffung der an der Rechtsprechung Beteiligten</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Heinrich Schmitz, Euskirchen: Kiffen verboten - Der Unsinn des BtmG</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Dr. Olaf Schröder, Halberstadt: "Schwer zu befolgen..." Aktuelle Fragen zur nachträglichen Gesamtstrafenbildung</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Werner Siebers, Braunschweig, Halle/Saale: Von der Bedeutung der Bedeutungslosigkeit oder die "kleine Wahrunterstellung"</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Harald Stehr, Göppingen: Die gesellschaftlichen Erwartungen an einen Strafverteidiger und die Unterscheidung anhand gängiger Verteidigertypen</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Michael Stephan, Dresden: Beweisverwertungsverbote wegen Verfahrensfehlern bei der Verhaftung im Ermittlungsverfahren unter Berücksichtigung der Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Ingo Klaus Wamser, Passau: Der anwaltsgerichtliche Nachschlag</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Nico Werning, München: Berichterstattung aus laufender Hauptverhandlung im Widerstreit zwischen Pressefreiheit und Wahrheitssuche</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Dr. Mathias Grün, Hans-Peter Grün und Michael Grün, Saarbrücken: Die Rohmessdaten im Bußgeldverfahren</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Marc N. Wandt, Essen: Quo vadis, Bußgeldverfahren?</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Wolfgang Stahl, Koblenz: Die Festsetzung der Pauschgebühr für das vorbereitende Verfahren</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial;">Joachim Volpert: Prozesskostenhilfe in Strafsachen - Vergütungsansprüche gegen die Staatskasse</span></div><div><span style="font-family: arial;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial; font-size: medium;">Das Werk ist 293 Seiten stark. Ich freue mich schon auf die Lektüre und auf die Fortsetzung der Festschriftenreihe. </span></div><div><span style="font-family: arial; font-size: medium;"><br /></span></div><div><span style="font-family: arial; font-size: medium;">@Detlef Burhoff: Zum 75. Geburtstag schreib ich dann was zum Jagdrecht. Versprochen. ;)</span></div><div><span style="font-family: arial;"><span style="font-size: medium;"></span><br /></span></div>Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-74945453591351632142020-03-23T08:19:00.000+01:002020-03-23T08:19:07.554+01:00Corona - Fazit nach Woche 1Seit über einer Woche ist die Kanzlei so umgestellt, dass entweder aus dem Homeoffice gearbeitet wird oder nur noch jeweils eine Person in der Kanzlei anwesend ist. <br />
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Die Mandanten haben sich rasch daran gewöhnt, dass es vorerst keine persönlichen Besprechungstermine mehr geben kann und so wird fleissig elektronisch kommuniziert, bislang ohne erkennbare Reibungsverluste.<br />
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Die Wachtmeisterei des Koblenzer Amts- und Landgerichts, die die Gerichtspost für die Anwälte entgegennimmt und in die Postfächer einsortiert, damit die Mitarbeiter der Anwälte sie dort abholen können, ist aber bis auf Weiteres für Publikumsverkehr geschlossen. Gerichtspost kommt und geht jetzt nur noch mit "normaler" Post oder über beA, sofern beA funktioniert... es kann also situationsbedingt zu Verzögerungen kommen.<br />
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Die Gerichte haben weitgehend auf Minimalbetrieb heruntergefahren, verhandeln nur noch dringende Sachen (Haftsachen zum Beispiel) mit Ausnahme einiger Richter, die es wissen wollen. Ein Amtsrichter aus der Eifel zum Beispiel hält die ihm obliegenden Ordnungswidrigkeitenangelegenheiten (Knöllchen bis Fahrverbot) offenbar für derart wichtig, dass er eisern an seinen Terminen festhält. Die richterliche Unabhängigkeit macht´s möglich.<br />
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Gerade sind auch zwei meiner Kollegen auf dem Weg zu Hauptverhandlungen, die nach richterlicher Einschätzung keinen Aufschub dulden, derweil Aluhutträger auf den sozialen Netzwerken nicht müde werden, krude Verschwörungstherorien zu posten oder Beiträge zu verbreiten, deren Tenor lautet, alles sei nur halb so schlimm. Das mag allenfalls angesichts der Katastrophen anderer Länder, die gerade die Ernte für das Krankschrumpfen ihres Gesundheitssystems einfahren, so sein, tatsächlich ist das aber gefährlicher Unfug.<br />
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Harmloser Unfug sind demgegenüber lustige Mal- und Musikaktionen. Gestern Abend klimperten, tröteten, geigten und klampften die Menschen die "Ode an die Freude" aus den geöffneten, mit Regenbögen bemalten Fenstern. Für einige Eltern, die ihre Kinder seit Jahren in die Musikschule entsenden, möglicherweise eine Ernüchterung, die gleich hinter der während der ersten Woche "Homeschooling" gereiften Erkenntnis kommt, dass vielleicht nicht alles am Lehrer liegt. ;)<br />
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<br />Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-52619107257041834702020-03-18T12:13:00.001+01:002020-03-18T12:14:42.660+01:00Tante beA hat CoronaDie Coronakrise hat ein neues Opfer - das besondere elektronische Anwaltspostfach. Das beA wäre an sich keine schlechte Idee, wenn es denn funktionieren würde... ich habe <a href="https://strafverfahren.blogspot.com/2017/12/bea-und-ber-wettrennen-der-schildburger.html">hier</a> und <a href="https://strafverfahren.blogspot.com/2017/12/das-bea-gedicht.html">hier</a> und auch <a href="https://strafverfahren.blogspot.com/2018/08/bea-die-zweite.html">hier</a> vor Jahren schon einmal berichtet. In guten Zeiten war ich übrigens kurz davor, mein beA-Postfach dahingehend zu erweitern, dass ich nicht nur Nachrichten erhalten, sondern künftig auch senden kann. Das hätte dann anstatt 29 € 49 € pro Jahr gekostet. 20 € sind eine überschaubare Summe, sicher, aber dann eine ärgerliche Ausgabe, wenn das Programm nicht tut, was es soll und das tut es wieder einmal nicht.<br />
<br />
Seit Tagen ist der Server nicht, bestenfalls eingeschränkt erreichbar und folglich funktioniert die Kommunikation nur über herkömmliche Wege wie Post oder Fax.<br />
<br />
Sollte sich also der ein oder andere Mandant wundern, weshalb er noch nichts von "seinem Fall" gehört hat, liegt das nicht an der Nachlässigkeit des Anwalts, sondern schlicht daran, dass er keine Post erhält, die er bearbeiten und weiterleiten könnte.<br />
<br />
Corona verlangt uns allen Geduld ab, das beA tut dies schon länger. Trotz täglich neuer Schreckensnachrichten in Sachen Corona tippe ich, dass die Coronakrise schneller überwunden sein wird als dass beA nachhaltig fehlerfrei läuft. Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-89351834610900923422020-03-16T21:10:00.003+01:002020-03-16T21:10:22.398+01:00Coronanews - Fiat iustitia ruat caelumIn der vergangenen Woche machte eine Meldung über einen <a href="https://www.t-online.de/region/hagen/news/id_87490548/coronavirus-amtsrichter-in-hagen-verhandelt-nur-noch-mit-schutzmaske.html">Richter am Amtsgericht Hagen</a> Schlagzeilen, der verfügte, dass sein Sitzungssaal nur noch mit Handschuhen und Mundschutz betreten werden dürfe.<br />
<br />
Der Richter hat viel Spott geerntet. Die Spötter sind zwischenzeitlich kleinlauter geworden wie es scheint und viele Gerichte haben bereits auf Notbetrieb umgeschaltet und verhandeln nur noch unaufschiebbare Haftsachen und Eilsachen. An einer deutschlandweiten Regelung fehlt es bislang und so kann es sein, dass ein Gericht sämtliche Verhandlungstermine in den nächsten Wochen per richterlicher Verfügung aufhebt und als Aufhebungsgrund auch ganz klar die Coronakrise benennt, während ein anderes Gericht nur widerwillig entsprechenden Anträgen der Anwaltschaft auf Aufhebung stattgibt und wieder ein anderes Gericht per ordre Mufti bekannt gibt, es werde verhandelt, Corona hin oder her.<br />
<br />
Nun droht uns zwar nicht die Urangst des Majestix, der Himmel könne ihm auf den Kopf fallen, zu ereilen, aber dass Deutschland auf eine Krise zusteuert, nachdem es wochenlang in süßem Dornröschenschlaf lag und nicht unerheblich von der Vernunft seiner Anrainerstaaten profitierte, dürfte zwischenzeitlich auch einfachen Gemütern aufgefallen sein.<br />
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Nachdem inzwischen laut über die Schließung von Restaurants, Fitnessstudios etc. nachgedacht wird, stellt sich zu Recht die Frage, ob nicht auch die Justiz in den Krisenplan mit einbezogen werden kann, und zwar flächendeckend im Sinne des Gemeinwohls. <a href="https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/wegen-der-corona-epidemie-kubicki-will-prozesse-aussetzen-100.html?fbclid=IwAR1Kg9bNtc2t1Usyoj00FKCXfTS9QS4oyWIxechBXLzGHzBn8FdIIeCPnBA">Wolfgang Kubicki</a> weist zu Recht darauf hin, dass es absurd ist, einerseits zu empfehlen, soziale Kontakte zu meiden und andererseits Menschen in relativ kleinen Gerichtssälen zusammen zu bringen.<br />
<br />
Fiat iustitia ruat caelum (Der Gerechtigkeit soll Genüge getan werden und wenn der Himmel einstürzt) kann angesichts des Ernstes der Lage nicht die Lösung sein.<br />
<br />
Die Zivilgerichte haben seit vielen Jahren die Möglichkeit, Prozessbeteiligten zu gestatten, sich während der Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und sich live in den Gerichtssaal übertragen zu lassen. Auf diese Weise können auch Zeugen und Sachverständige gehört werden. All das steht im Gesetz, und zwar<a href="https://dejure.org/gesetze/ZPO/128a.html"> hier</a>.<br />
<br />
Nun fragen Sie aber mal bei der Geschäftsstelle eines beliebigen Amtsgerichts nach, ob die Möglichkeit besteht, nach § 128a ZPO zu verhandeln. Zwischen irritierten Nachfragen, was es denn damit auf sich habe bis hin zu Gelächter ob der eher frugalen Ausstattung des Gerichts ("Wir haben nicht mal ein Internetzugang") ist alles dabei. Man wünscht sich, der Gesetzgeber hätte uns mit dem § 128a ZPO nicht nur ein modernes Gesetz geschenkt, sondern bei gleicher Gelegenheit seine Justizbehörden auch so ausgestattet, dass sie davon auch Gebrauch machen können.<br />
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Vielleicht findet sich ja irgendwo ein Topf, in dem Geld für derlei Technik steckt. Rechtsanwälten wird umgekehrt ja auch abverlangt, dass sie ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach nutzen, dass ungefähr so ausgereift ist wie eine grüne Banane, so stabil wie ein feuchtes Zewa, so sicher wie Deutschlands Grenzen und dabei einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet hat.<br />
<br />
Bleibt zu hoffen, dass die Gerichte mehr von einer anderen Möglichkeit Gebrauch machen werden bis sich die Lage entweder beruhigt oder die Ausstattung sich verbessert hat. <a href="https://dejure.org/gesetze/ZPO/128.html">§ 128 ZPO</a> sieht vor, dass bei Einverständnis der Parteien schriftlich verhandelt werden kann.<br />
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Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-65859995144667092892020-03-15T19:58:00.001+01:002020-03-16T21:24:56.960+01:00CoronanewsLiebe Mandanten, werte Kollegen, geschätze oder auch nicht geschätzte Gegner,<br />
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die Coronawelle rollt über´s Land. Sie hat bereits zu Einschränkungen geführt und wird noch zu weiteren Einschränkungen führen. Meine persönliche Meinung ist, dass jeder wann immer es ihm möglich ist, zu Hause bleiben und einen Beitrag dazu zu leisten sollte, dass die Infektionsrate abflacht.<br />
<br />
Meine Mitarbeiter und ich haben - um den Umständen Rechnung zu tragen - die Abläufe im Büro umstrukturiert, damit wir auch dort bestmöglich und bestgeschützt agieren können.<br />
<br />
Dies bedeutet, dass wir ab sofort persönliche Besprechungen nur noch in Ausnahmefällen durchführen werden. Vergangene Woche haben wir noch jedem, der sich der Tür näherte, Desinfektionsmittel über die Hände geschüttet, aber während die Lieferung von 5000 Einmalhandtüchern gestern eingetroffen ist, neigen sich die Sterilliumvorräte dem Ende zu.<br />
<br />
Dennoch sind wir nicht aus der Welt und werden auch aus dem jeweiligen Coronaexil die Mandante schnellst- und bestmöglich bearbeiten. An dieser Stelle darf ich nicht ohne Stolz darauf hinweisen, dass es mir Technikdussel gelungen ist, zwei neue Geräte zu installieren und diese sogar tun, was sie sollen.<br />
<br />
Das Büro ist bis auf Weiteres von Montag bis Freitag in der Zeit von 9 bis 14 Uhr bzw. von 12 bis 17 Uhr telefonisch erreichbar. In dieser Zeit können auch telefonische Besprechungstermine vereinbart werden. In Notfällen wie beispielsweise bei Verhaftungen oder Durchsuchungen, also nicht bei Sachstandsanfragen, zwecks Mitteilung der Bankverbindung oder sonstigen Fragen, deren Beantwortung den Aufschub duldet, bin ich wie sonst auch 24/7 mobil erreichbar.<br />
<br />
Was die in nächster Zeit anstehenden Gerichtstermine angeht, werde ich nach Rücksprache mit meinen Mandanten beantragen, diese aufzuheben. Die Gerichte haben bislang noch nicht reagiert und ich erwarte, dass die Reaktionen nicht einheitlich sein werden, weshalb die Anwaltschaft gefordert ist, durch Terminsaufhebungsanträge darauf hinzuwirken, dass sozusagen flächendeckend Vernunft eintritt.<br />
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Bleiben Sie gesund. <br />
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<br />Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-35729078030234649822019-09-04T11:40:00.000+02:002019-09-04T13:43:22.628+02:00Aktionsbüro Mittelrhein #3 - Hahn in Ruh<br />
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Hahn in Ruh ist ein </span><span style="font-size: 1,00em;">Jagdsignal</span><span style="font-size: 1,00em;">. Wenn es erklingt, ist die Jagd beendet.</span></span><br />
</div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Seit gestern 14.03 Uhr ist das Verfahren gegen meinen Mandanten beendet. Die Jagd, die im März 2012 mit einem robusten SEK-Einsatz in seiner Wohnung begonnen und der sich 22 Monate </span><span style="font-size: 1,00em;">Untersuchungshaft</span><span style="font-size: 1,00em;"> angeschlossen hatten, ist vorbei. Genau 7 Jahre und 15 Tage dauerte das gerichtliche Verfahren. Es endete mit einer Einstellung nach §<a href="https://dejure.org/gesetze/StPO/153.html">153 Abs. 2 StPO</a>. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen meines Mandanten trägt die </span><span style="font-size: 1,00em;">Staatskasse</span><span style="font-size: 1,00em;">.</span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Der Vergleich mit der Jagd drängt sich angesichts des ehrgeizigen Plans, den man mit dem Verfahren verfolgte, auf. Kurz nach den 26 Verhaftungen im März 2012 sprach der </span><span style="font-size: 1,00em;">rheinland-pfälzische</span><span style="font-size: 1,00em;"> Innenminister </span><a href="https://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/tagesgespraech/-/id=9244362/property=download/nid=660264/1hx2wnq/swr2-tagesgespraech-20120314.pdf"><span style="font-size: 1,00em;">Lewentz</span></a><span style="font-size: 1,00em;"> davon, das ABM “aufgebrochen“ zu haben. Mit “Stumpf und Stiel“ sollte “ausgerottet“ werden. Martialische Worte. Das Treiben hatte begonnen, 26 Beschuldigte waren </span><span style="font-size: 1,00em;">gekesselt</span><span style="font-size: 1,00em;">.</span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Die gut 900seitige Anklageschrift basierte auf dem Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung, deren Mitglieder Straftaten verabredet und durchgeführt haben sollten. Der Kitt der kriminellen Vereinigung führte dazu, dass einzelne Beschuldigte nicht losgelöst vom Vorwurf der angeblich kriminellen Vereinigung verurteilt werden konnten für Delikte, die sich nie im Bereich der Schwerkriminalität bewegten und bei isolierter Betrachtung allenfalls das Schöffengericht auf den Plan gerufen hätten. Dieses hätte die Vorwürfe dann in wenigen Hauptverhandlungstagen abgearbeitet und Entscheidungen zugeführt. Überlagert man indes Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen mit dem Vorwurf der kriminellen Vereinigung und findet dann noch ein Gericht, das diese Anklage eröffnet, dann ist das Anblasen entsprechend laut.</span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Dieses Verfahren wird Seinesgleichen suchen, aber nicht finden, formulierte es der damalige Vorsitzende der Staatsschutzkammer, unter dessen Ägide der Prozess am 20.8.2012 begonnen hatte. </span></span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Er sollte Recht behalten.</span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Die Angeklagten waren mit nur wenigen Ausnahmen - darunter diejenigen, die durch ihre Aussagen das Feld bereitet hatten - in Haft und schwiegen zu den Vorwürfen. Nun ist Schweigen für die meisten Beschuldigten, die auf freiem Fuß sind, schon keine ganz so einfache Sache, wenn sogenannte milde Strafen locken. Unter </span><span style="font-size: 1,00em;">Einzelhaftbedingungen</span><span style="font-size: 1,00em;"> in </span><span style="font-size: 1,00em;">Justizvollzugsanstalten</span><span style="font-size: 1,00em;">, die den Quer- und </span><span style="font-size: 1,00em;">Längsschnitt</span><span style="font-size: 1,00em;"> der </span><span style="font-size: 1,00em;">Schwerstkriminalität</span><span style="font-size: 1,00em;"> beherbergen, braucht es ein gesteigertes Maß an Disziplin. Ein Angeklagter, der sehr unter der </span><span style="font-size: 1,00em;">Haftsituation</span><span style="font-size: 1,00em;"> gelitten hatte, war nach über einem Jahr </span><span style="font-size: 1,00em;">Untersuchungshaft</span><span style="font-size: 1,00em;"> den Verlockungen erlegen. Aussage gegen Freiheit, lautete der Deal. Hiervon </span><span style="font-size: 1,00em;">angekirrt</span><span style="font-size: 1,00em;">, sagte er aus und - blieb in U-Haft. Seine Aussage war nicht umfassend genug. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war klar, dass es keine Aussagen mehr geben würde.</span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Kleinschrittig wurde Bagatelldelikten nachgegangen, deren zugrundeliegende Ermittlungen sich nicht selten als lückenhaft erwiesen. Monatelang hörten wir die Mitschnitte der Telefonüberwachung, die eine Banalität nach der anderen offenbarten. Die Bestellung von Hosen mit “Rheinland“-Aufschrift beispielsweise und die damit einhergehende Diskussion, wie welches Beinkleid gemessen bei welcher Größe wohl ausfällt, hatte einen Lachkrampf nicht nur des Vorsitzenden zur Folge. Zwischendurch blieben zwei Schöffen auf der Strecke aufgrund von Nachlässigkeiten mit dem Mobiltelefon und unbotmäßigen Sympathiebekundungen gegenüber der Staatsanwaltschaft in Gestalt von Schokoladennikoläusen. Beide Vorfälle sind übrigens bis heute gern bemühte Prüfungsfälle in juristischen Staatsexamina.</span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Akribisch wurde die Aussage desjenigen Angeklagten, der bis kurz vor Ende des dritten </span><span style="font-size: 1,00em;">Anlaufs</span><span style="font-size: 1,00em;"> nebst mehreren </span><span style="font-size: 1,00em;">Zeugenschutzbeamten</span><span style="font-size: 1,00em;"> im Verfahren saß und eine neunmonatige </span><span style="font-size: 1,00em;">Bewährungsstrafe</span><span style="font-size: 1,00em;"> kassierte, seziert und </span>Widersprüche<span style="font-size: 1,00em;"> wurden </span><span style="font-size: 1,00em;">herausgearbeitet</span><span style="font-size: 1,00em;">.</span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Die Zeugen des ersten </span><span style="font-size: 1,00em;">Durchgangs</span><span style="font-size: 1,00em;"> wären im Grunde einen eigenen Beitrag wert. Zusammengefasst kann man sagen, dass die </span><span style="font-size: 1,00em;">Biozönose</span><span style="font-size: 1,00em;"> der menschlichen Beweismittel vielfältiger kaum hätte sein können. Von stramm rechts über radikal links bis hin zu </span><span style="font-size: 1,00em;">genderverwirrt</span><span style="font-size: 1,00em;"> war so ziemlich alles dabei. </span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Die Stimmung im ersten </span><span style="font-size: 1,00em;">Durchgang</span><span style="font-size: 1,00em;"> war von Beginn an von einer harten Gangart geprägt. Auf der einen Seite eine Kammer, die die Anklage gegen 26 Angeklagte zugelassen hatte in dem Bestreben, möglichst rasch zum Ende zu kommen und auf der anderen Seite die große Zahl der schweigenden Angeklagten, flankiert von Verteidigern, die gar nicht daran dachten, auch nur einen Meter Boden </span><span style="font-size: 1,00em;">dranzugeben</span><span style="font-size: 1,00em;">. </span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Und so zog sich das Verfahren hin. Nachdem Anfang 2014 auch die letzten Angeklagten nach exakt 666 Tagen aus der Untersuchungshaft entlassen worden waren, vergingen fast 3 weitere Jahre bis die Kammer das Verfahren wegen überlanger Dauer im Mai 2017 einstellte und deren Vorsitzender im Juni 2017 in Pension ging. </span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Mit der Einstellung hätte es eine Art </span><span style="font-size: 1,00em;">Burgfrieden</span><span style="font-size: 1,00em;"> geben können, aber der Beschwerde der Staatsanwaltschaft gab das OLG statt und es wurde zu Runde 2 geblasen.</span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Dem Vorsitzenden der neuen Kammer, Vizepräsident des Landgerichts und politisch betrachtet weit entfernt von den Angeklagten als Mitglied einer ehemaligen Volkspartei, die auf eine Prozentmarke zusteuert, die man von H-Milch-Packungen kennt, oblag die Aufgabe, das waidwunde Verfahren abzufangen.</span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Der zweite Anlauf dauerte nur kurz. Diesmal scheiterte es an der </span><span style="font-size: 1,00em;">Geschäftsverteilung</span><span style="font-size: 1,00em;">.</span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Ende Februar diesen Jahres das dritte </span><span style="font-size: 1,00em;">Halali</span><span style="font-size: 1,00em;">. Leiser als im August 2012, ohne </span><span style="font-size: 1,00em;">Parforce</span><span style="font-size: 1,00em;">. Gleiche Kammer, gleicher Saal, 16 Angeklagte und von Beginn an die Ansage der Kammer, dass sie nicht gedenke, dem Vorwurf der kriminellen Vereinigung nachzugehen. So </span><span style="font-size: 1,00em;">heruntergefahren</span><span style="font-size: 1,00em;"> auf einzelne Delikte war schnell klar, dass hier mit dem pragmatischen Besen gekehrt werden sollte, zumal <a href="https://www.spiegel.de/panorama/justiz/prozess-gegen-aktionsbuero-mittelrhein-mammutverfahren-in-koblenz-a-854112.html">Presse</a> und Öffentlichkeit nach dem “Scheitern“ des ersten </span><span style="font-size: 1,00em;">Anlaufs</span><span style="font-size: 1,00em;"> weder mit Kritik noch mit Spott gespart und die </span><span style="font-size: 1,00em;">Verfahrenskosten</span><span style="font-size: 1,00em;"> eine gesunde zweistellige </span><span style="font-size: 1,00em;">Millionenhöhe</span><span style="font-size: 1,00em;"> erreicht hatten.</span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Von da an ging es Schlag auf Schlag. Ein Angeklagter nach dem anderen wurde abgetrennt und meist im Zuge eines Termins entweder </span><span style="font-size: 1,00em;">abgeurteilt</span><span style="font-size: 1,00em;"> oder eingestellt, derweil die </span><span style="font-size: 1,00em;">Beweisaufnahme</span><span style="font-size: 1,00em;"> eine Geschwindigkeit aufnahm, die man eingedenk des ersten </span><span style="font-size: 1,00em;">Anlaufs</span><span style="font-size: 1,00em;"> nur als rasant bezeichnen kann. Bisweilen gelang es, mehrere Zeugen an einem Tag zu vernehmen. Je mehr man es sich als Verteidiger vorgenommen hatte, einen Zeugen ausgiebig zu befragen, desto spärlicher schien es um dessen Erinnerung bestellt. Die Kammer ging den Anträgen der Verteidigung </span><span style="font-size: 1,00em;">bereitwillig</span><span style="font-size: 1,00em;"> nach. Auch das war neu. Dank dieser </span><span style="font-size: 1,00em;">Vorgehensweise</span><span style="font-size: 1,00em;"> bin ich mir nach Einvernahme einer </span><span style="font-size: 1,00em;">Kunstprofessorin</span><span style="font-size: 1,00em;"> einmal mehr sicher, dass ich für die </span><span style="font-size: 1,00em;">Filigranitäten</span><span style="font-size: 1,00em;"> der </span><span style="font-size: 1,00em;">Fluxuskunst</span><span style="font-size: 1,00em;"> zu grob gestrickt bin. </span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Der Vorsitzende, der bis dato nur beim Amtsgericht Strafsachen verhandelt hatte, verwaltete die Insolvenzmasse des Verfahrens mit beachtlichem Fingerspitzengefühl. Die Worte, die er nach Beendigung an jeden einzelnen Angeklagten richtete, klangen ehrlich. Sie waren geprägt von Bedauern ob der Länge des Verfahrens, von Kritik ob der Haft sowie dem Wunsch, dass es gelingen möge, einen Neuanfang ohne den Ballast des Verfahrens zu finden.</span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Mein Mandant, Bundesvorsitzender einer rechten Kleinstpartei, gehörte zu denjenigen Angeklagten, die während des Prozesses weiter politisch aktiv waren. Man mag die Richtung der Politik nicht gut finden, aber daran, dass man ihr seitens der Kammer keine Beachtung schenkte bei der Einordnung strafrechtlicher Sachverhalte, erkennt man die Stärke eines Rechtsstaats ebenso wie an Verteidigern, die bereit sind, auch lange Wege mit ihren Mandanten zurückzulegen. Wenn diese dann zu einem Ziel führen, für das man, hätte man es zu Beginn des Verfahrens als solches formuliert, ausgelacht worden wäre, dann weiß man, dass es richtig war, ihn zu beschreiten. </span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Für meinen Mandanten, meinen </span><span style="font-size: 1,00em;">Mitverteidiger</span><span style="font-size: 1,00em;"> Werner </span><span style="font-size: 1,00em;">Siebers</span><span style="font-size: 1,00em;"> und mich ging gestern ein solches Verfahren zu Ende. Es hat </span><span style="font-size: 1,00em;">Seinesgleichen</span><span style="font-size: 1,00em;"> gesucht, aber nicht gefunden. </span></span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Der Vorsitzende formulierte: “Es ist vorbei und es ist gut, dass es vorbei ist.“</span></span></div>
<div dir="ltr" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="font-size: 1,00em;">Hahn in Ruh. </span></span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><br /></span></div>
<br />Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-40855097274895468592019-09-03T14:27:00.000+02:002019-09-03T14:32:58.980+02:00Aktionsbüro Mittelrhein #3 - Der Letzte macht das Licht ausUm 14.03 Uhr wurde das Verfahren gegen meinen Mandanten und einen Mitangeklagten nach §153 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Kosten und notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.<br />
<br />
Das Verfahren gegen einen Angeklagten wird fortgesetzt.<br />
<br />
Ein ausführlicher Bericht wird folgen.Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-25473510767220621062019-08-28T15:00:00.001+02:002019-08-28T21:15:32.986+02:00Aktionsbüro Mittelrhein #3 - Da waren´s nur noch Drei<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Seit heute sind die Angeklagten nur noch zu Dritt. Der Tag begann zahlenmäßig mit einer Doppelkopfrunde, die, nachdem das Verfahren gegen einen Angeklagten eingestellt worden war, sich zu einer Skatrunde verkleinerte.</span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Der Angeklagte, gegen den das Verfahren nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden war, wurde nicht mit Kosten belastet. Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Eine Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft versagte ihm das Gericht. Hiergegen kann der Angeklagte nun binnen einer Woche sofortige Beschwerde einlegen.</span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Das Verfahren gegen meinen Mandanten und die beiden anderen Angeklagten wird kommenden Dienstag fortgesetzt.</span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"></span><br />Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-50277756540828386352019-08-23T08:29:00.000+02:002019-08-23T08:29:05.756+02:00Aktionsbüro Mittelrhein #3 - Der 7. Jahrestag<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Am 20.08.2019 jährte sich der Tag des Prozessbeginns bereits zum 7. Mal.</span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Kein Grund zum Feiern.</span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Der 20.08.2019 begann mit einer Schweigeminute für den am 15.08.2019 verstorbenen Kollegen Wingerter, der einen der Angeklagten verteidigt hatte. Der Kollege gehörte im besten Sinne des Wortes zur alten Garde. Er nannte die Dinge beim Namen, scheute unbequeme Wahrheiten nicht, war hart in der Sache, aber stets formvollendet im Ton. Sein Mandant lag ihm am Herzen und es war nicht nur sein Beruf, sondern auch seine Berufung, das Beste für ihn zu erreichen. Es ist traurig, dass er das Ende des Verfahrens nicht erleben durfte. </span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Was neben der Erinnerung an ihn bleibt, ist ein Aktenordner voller Anträge in meinem Büro, ein Fundus an Kreativität und juristischem Handwerkszeug. Danke dafür, Herr Kollege.</span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Der 21.08.2019 sollte mit der Vernehmung eines ehemaligen Angeklagten beginnen, aber er begann mit Sprachlosigkeit. Sprachlosigkeit über den plötzlichen Tod eines Angeklagten, der in der Nacht zum 20.08.2019 verstorben war. Paul wurde nur 47 Jahre alt.</span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<div dir="ltr">
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Genauso beharrlich wie sein Schweigen während der siebenjährigen Prozessdauer war sein Festhalten am veganen Ernährungsstil. Ich war der einzige Mensch in Saal 128, der sich von ihm dazu hatte überreden lassen, einen seiner grünen Smoothies zu kosten und seither werfe ich regelmäßig Grünzeug in den Mixer. Er hatte Recht damit, dass das Gebräu deutlich besser schmeckt als seine Farbe es vermuten lässt. Oft sind es solch kleine Schnittmengen, die Menschen miteinander verbinden und die Erinnerung am Leben halten.</span></div>
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Dem Vorschlag des Vorsitzenden, an diesem Tag nicht zu verhandeln, widersprach niemand. Es wäre falsch gewesen, angesichts der Ereignisse zur Tagesordnung über zu gehen.</span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><br /></span>
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-36192481423803097372019-07-17T14:28:00.001+02:002019-07-17T14:36:23.175+02:00Aktionsbüro Mittelrhein #3 - Noch ein Urteil, diesmal ohne StrafeAm gestrigen Tag wurde das abgetrennte Verfahren gegen einen weiteren Angeklagten (vorläufig) beendet.<br />
<br />
Der Angeklagte, der insgesamt ein knappes Jahr in Untersuchungshaft war, hatte sich während des Verfahrens nicht zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen (Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Sachbeschädigung, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz) eingelassen. Nachdem der Hauptvorwurf, nämlich die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gegen ihn eingestellt worden war, ging es nurmehr um Farbschmierereien auf einem Schulhof in Nordrhein-Westfalen und die Teilnahme am Marsch der Unsterblichen im November 2011 in Düsseldorf.<br />
<br />
Die Kammer hatte zu beiden Tatvorwürfen Beweis erhoben und - nachdem die Zeugen sich größtenteils nicht zu erinnern vermochten - frühere Vernehmungen durch Verlesen in die Hauptverhandlung eingeführt. Zudem kam eine Sachverständige zu Wort, die sich dazu äußern sollte, ob es sich bei dem Marsch der Unsterblichen um Kunst handele oder nicht. Im Ergebnis verneinte sie dies, unter Anderem unter Hinweis darauf, den Teilnehmern habe es an dem Bewusstsein gefehlt, Kunst darzustellen. Hier hätte es sich angeboten, zu hinterfragen, ob die Kunstsachverständige etwa über herausragende Expertise auf dem Gebiet des Gedankenlesens verfügt. Das Thema wurde leider nicht vertieft.<br />
<br />
Die Staatsanwaltschaft sah beide Vorwürfe als verwirklicht an und beantragte, den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätze à 30 € zu verurteilen. Eine Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft sei dem Angeklagten indes zu versagen, da er seine Inhaftierung selbst grob fahrlässig herbeigeführt habe.<br />
<br />
Auf diesen Punkt lohnt es sich, ein wenig näher einzugehen. Grundsätzlich ist ein Angeklagter, der zu Unrecht in Haft war, dafür zu entschädigen. Das sieht das Strafrechtsentschädigungsgesetz (StrEG) so vor. Die Ausnahme von der Regel steht in <a href="https://www.gesetze-im-internet.de/streg/__5.html">§ 5 Abs. 2 StrEG</a> und wirft die Frage auf, wann denn jemand grob fahrlässig dafür gesorgt haben soll, dass die Strafverfolgungsorgane sich seiner angenommen haben. Eine gängige Definition (laut Bundesgerichtshof, nachzulesen in der MDR 1983, 450) hierzu lautet, dass grob fahrlässig handelt, wer in ungewöhnlich hohem Maße die Sorgfalt außer Acht lässt, die ein verständiger Mensch in gleicher Lage aufwenden würde, um sich vor Schaden durch die Strafverfolgungsorgane zu schützen. Wann dies etwa der Fall ist, sagt ein Blick in dazu ergangene Entscheidungen. Bezichtigt sich jemand selbst fälschlich, ein Verbrechen begangen<br />
zu haben und wird daraufhin in Untersuchungshaft genommen, steht ihm hierfür keine Entschädigung zu, wenn er am Ende freigesprochen wird. Gleiches gilt etwa für einen Ausländer, der sich illegal in Deutschland aufhält und wegen des Verdachts einer Straftat in Untersuchungshaft genommen wird, weil Fluchtgefahr besteht oder auch für einen Angeklagten, der trotz Ladung nicht zur Hauptverhandlung erscheint und gegen den deshalb ein Sicherungshaftbefehl ergeht.<br />
<br />
Man sieht, man muss schon Einiges tun, damit ein Gericht davon ausgehen darf, man sei selbst Schuld, wenn man plötzlich gesiebte Luft atmet.<br />
<br />
Die Staatsanwaltschaft sah die grobe Fahrlässigkeit des Angeklagten darin, dass er in das sog. Braune Haus in Bad Neuenahr-Ahrweiler eingezogen war. Dieses sei Dreh- und Angelpunkt für Zusammenkünfte nicht lediglich politischer Art gewesen; hier seien Straftaten verabredet und Gegenstände zu der Begehung deponiert worden.<br />
<br />
Mitgewohnt, mitgefangen, mitgesessen sozusagen.<br />
<br />
Die Kammer sah das alles ganz anders. Zwar sprach sie den Angeklagten wegen Sachbeschädigung und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz schuldig, sah jedoch von der Verhängung einer Strafe ab und bewilligte ihm auch eine Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft.<br />
<br />
Es mag seltsam klingen, dass jemand schuldig ist, aber nicht bestraft wird und in der Tat, die Regel ist das nicht. Die Ausnahme, von der die Kammer Gebrauch gemacht hat, ist <a href="https://dejure.org/gesetze/StGB/60.html">§ 60 StGB</a>. Hiernach kann das Gericht von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn die Folgen der Tat, die den Täter getroffen haben, so schwer sind, dass eine Strafe verfehlt wäre. Die Vorschrift eröffnet dem Gericht, vereinfacht ausgedrückt, die Möglichkeit, jemanden nicht zu bestrafen, der schon bestraft genug ist.<br />
<br />
Jede Strafe verlange einen Zweck, führte der Vorsitzende aus, und im Falle des Angeklagten gebe es keinen Strafzweck. Weder sei es erforderlich, mit einer Sanktion auf ihn einzuwirken noch rechtfertige ein Signal an die Bevölkerung die Verhängung einer Strafe. Aus Sicht der Kammer habe der Angeklagte zwei Straftaten begangen, die in den Bereich der leichten Kriminalität fielen und die für den Fall, dass sie zeitnah nach deren Begehung hätten verhandelt werden können, allenfalls eine Geldstrafe nach sich gezogen hätten. Der Angeklagte sei strafrechtlich nicht vorbelastet gewesen, habe eine feste Arbeitsstelle innegehabt und über feste soziale Bindungen verfügt. Bereits die Bejahung eines Haftgrundes sei vor diesem Hintergrund eine Hürde gewesen, die seinerzeit gleichwohl genommen worden sei. Dies habe dazu geführt, dass der Angeklagte annähernd ein Jahr in Untersuchungshaft verbracht, seine Arbeitsstelle verloren und die folgenden Jahre aufgrund der vielen Hauptverhandlungstermine kein normales Leben habe führen können. Eine derartige Belastung sprenge jeden Rahmen, so dass die Kammer von der Möglichkeit des Absehens von Strafe Gebrauch gemacht habe.<br />
<br />
Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft sei der Angeklagte auch für die erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen. Das Wohnen im Braunen Haus als Versagungsgrund für die Entschädigung greife nicht. Mit dem Einzug ins Braune Haus habe der Angeklagte nicht verbinden müssen, inhaftiert zu werden, zumal deshalb nicht, weil jemand mit fester Arbeitsstelle und ebensolchen sozialen Bindungen in aller Regel nicht wegen Fluchtgefahr inhaftiert werde.<br />
<br />
Die Kosten und seine notwendigen Auslagen des dritten Durchgangs wurden dem Angeklagten mit 1/20 auferlegt. Damit blieben sämtliche Kosten und notwendigen Auslagen der beiden ersten Durchgänge des Verfahrens bei der Staatskasse.<br />
<br />
Der Vorwurf der kriminellen Vereinigung, so der Vorsitzende, habe die vorangegangenen Durchgänge überlagert. Nur aufgrund dieses Vorwurfes sei die Zuständigkeit der Staatsschutzkammer begründet gewesen und nur deshalb habe man jedem Angeklagten zwei Verteidiger beiordnen müssen um das Umfangsverfahren zu sichern. Denke man sich den Vorwurf der kriminellen Vereinigung weg, dann bliebe nicht mehr viel, was ein derart langes Verfahren rechtfertigen könnte.<br />
<br />
An den Angeklagten gewandt sagte der Vorsitzende, er hoffe, dass dieser den Saal mit dem Gefühl verlasse, dass ein Teil des Verfahrens korrekt gelaufen sei und erkennbar geworden sei, dass die Kammer versucht habe, sich mit den Argumenten der Verteidigung auseinander zu setzen.<br />
<br />
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Sowohl Angeklagter wie auch Staatsanwaltschaft können das Rechtsmittel der Revision einlegen.<br />
<br />
<br />Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-8414021835909601292019-07-10T13:08:00.002+02:002019-07-10T13:08:28.900+02:00Aktionsbüro Mittelrhein #3 - 24. und 25. HauptverhandlungstagNachdem die Kammer sich in der vergangenen Woche in dem abgetrennten Verfahren gegen den nunmehr rechtskräftig verurteilten geständigen Angeklagten hinsichtlich der juristischen Einordnung eines in der Anklage als versuchte gefährliche Körperverletzung enthaltenen Vorwurfs festgelegt hatte und diesen lediglich als Sachbeschädigung klassifizierte, wurden weitere Zeugen zu dem Vorfall vernommen. Hierbei handelte es sich um die damaligen Mieter der Wohnung.<br />
<br />
Beide Zeugen, die damals die Wohnung als Paar nebst Kleinkind bewohnt hatten, waren unergiebig. Der Zeuge hatte kurz nach dem Vorfall einen schweren Unfall erlitten, der u.a. eine Amnesie betreffend all Dasjenige, was dem Unfall vorausgegangen war, betraf, mithin auch das angeklagte Geschehen. Er wurde nach kurzer Befragung durch die Kammer entlassen.<br />
<br />
Seine ehemalige Lebensgefährtin, die nicht in den Unfall verwickelt war, nach eigenen Angaben aber über ein schlechtes Gedächtnis verfügt, vermochte auch nicht zur Erhellung beizutragen. Ihrem Auftritt war fernab davon ein gewisser Unterhaltungswert nicht abzusprechen. Nachdem der Vorsitzende die Zeugin darum gebeten hatte, ihren Kaugummi aus dem Mund zu entfernen, wurde dieser flugs an den Tisch geklebt; ein Vorgang, der einiges Erstaunen auf der Richterbank hervorrief.<br />
<br />
Für Irritationen sorgte auch ihre Aussage, sie habe mit ihrem Sohn am fraglichen Abend auf dem Sofa im Wohnzimmer genächtigt, nachdem man zuvor Filme angeschaut habe. Meist sei man vor dem Fernseher eingeschlafen. Irgendwann habe es "gescheppert wie die Sau" und es sei was zu Bruch gegangen. Der Vorsitzende wollte wissen, ob es wohl normal sei, mit einem dreijährigen Kind des Abends Filme anzuschauen bis man einschlafe, was die Zeugin mit der Gegenfrage quittierte, wer eigentlich bestimme, was normal sei. Dieses Thema wurde daraufhin nicht weiter vertieft, wohl aber die Frage, ob sie diejenige Zeugin kenne, die ausgesagt hatte, im Wohnzimmer auf dem Sofa genächtigt zu haben als das Fenster beschädigt worden sei. Hierauf antwortete die Zeugin zunächst, sie kenne diese Zeugin nicht. Namen könne sie sich schlecht merken. Im Übrigen lebe jeder Mensch in seiner eigenen Realität. Vom Vorsitzenden zur Wahrheit ermahnt erinnerte sie dann zumindest den Vornamen des mutmaßlichen Übernachtungsgasts, aber auch dies war am Ende des Tages nicht zielführend im Sinne einer weiteren Aufklärung und so wurde die Zeugen mit Dank und ohne Kaugummi entlassen. <br />
<br />
Am heutigen Tage, dem letzten vor der Sommerpause, wurde ein Polizeibeamter zu der vorgeworfenen Sachbeschädigung vernommen. Erinnerungen Fehlanzeige.<br />
<br />
Der weiter vorgesehene Zeuge, ein ehemaliger Angeklagter, der schon vor Jahren abgetrennt und verurteilt worden war, konnte bislang nicht erreicht werden.<br />
<br />
Deutlich zu Tage getreten ist, dass die Kammer beabsichtigt, die Reihen weiter zu lichten. Einem der Angeklagten war schon mehrfach das Angebot unterbreitet worden, das gegen ihn gerichtete Verfahren einzustellen und ihm Haftentschädigung zu bewilligen. Dieses Angebot hatte der Angeklagte stets abgelehnt. Heute ließ die Kammer durchblicken, dass man überlege, das Verfahren gegen diesen Angeklagten abzutrennen mit dem Ziel des Freispruchs.<br />
<br />
Die Hauptverhandlung wird am 6. August fortgesetzt.<br />
<br />
Das abgetrennte Verfahren gegen einen Angeklagten, in dem die Kammer ein Gutachten einholen wird zur Frage der Kunstfreiheit bezogen auf den "Marsch der Unsterblichen", wird kommenden Dienstag fortgesetzt. <br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-53150707006426263802019-07-03T15:37:00.001+02:002019-07-03T18:37:27.426+02:00Aktionsbüro Mittelrhein #3 - Das nächste Urteil<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Heute war es für den Angeklagten soweit, der sich seit Beginn des Verfahrens im Zeugenschutzprogramm befindet und dessen frühe Aussage Grundlage von weiten Teilen der Anklage war. Im Rahmen seiner Aussage hatte er sich nicht unerheblich selbst belastet. Wäre es um Betäubungsmittel gegangen, wäre er ein sog. 31er gewesen (<a href="https://www.gesetze-im-internet.de/btmg_1981/__31.html">§ 31 BtmG</a> kennt der juristische Laie als sog. Kronzeugenregelung, die Straffreiheit bzw. Strafmilderung verspricht für den Fall, dass der Täter seine Taten und die Anderer umfassend offenbart). </span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Neben der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung als Rädelsführer oder Hintermann, zu der bislang noch keinen Beweisaufnahme erfolgt ist, standen als Vorwürfe gegen den Angeklagten noch zwei Landfriedensbrüche, eine versuchte gefährliche Körperverletzung sowie mehrere Sachbeschädigungen im Raum. Die restlichen Anklagepunkte waren nach Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Die vorgeworfene Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung wurde heute eingestellt.</span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Grundlage der Verurteilung waren somit das Geständnis des Angeklagten sowie das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme des dritten Durchgangs.</span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Zu seinen Lebensumständen berichtete der heute 34-jährige Angeklagte mit Blick auf das Zeugenschutzprogramm nur, dass er ledig sei, keine Kinder habe und nach wie vor von Sozialleistungen lebe. Infolge des Verfahrens sei es ihm nicht gelungen, eine Ausbildung zu machen oder eine Arbeitsstelle zu finden. In diesem Punkt unterscheidet sich seine Biografie nicht unerheblich von derjenigen anderer Angeklagter, von denen es nicht Wenigen trotz des Verfahrens gelungen ist, ihre Studiengänge abzuschließen, Meisterprüfungen oder Staatsexamina abzulegen oder einer Tätigkeit im erlernten Beruf nachzugehen. Noch tags zuvor hatte ein ebenfalls in der vergangenen Woche abgetrennter Angeklagter berichtet, einer Vollzeittätigkeit in einem Handwerksberuf nachzugehen. Die beiden Verhandlungstage pro Woche kompensiere er mit Arbeit am Wochenende.</span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Was die Tatvorwürfe anbelangt, herrschte aufgrund der geständigen Einlassung weitgehend Einigkeit hinsichtlich ihrer rechtlichen Einordnung. Lediglich bezogen auf einen Anklagevorwurf, der aktuell Gegenstand der Beweisaufnahme ist und der sich in der Anklage als versuchte gefährliche Körperverletzung wiederfindet, waren sich die Anwältinnen des Angeklagten und die Vertreter der Staatsanwaltschaft uneins. Der Angeklagte hatte eingeräumt, zur Nachtzeit das Wohnzimmerfenster einer Wohnung mit Steinen eingeworfen zu haben. Weiter hatte er erklärt, dass man nie vorgehabt habe, dass hierdurch Menschen verletzt werden sollten, weshalb man das Wohn- und nicht das Schlafzimmerfenster gewählt habe. Nachdem auch kein Licht gebrannt habe, sei dies ein weiteres Indiz dafür gewesen, dass sich in dem Raum keine Menschen aufgehalten hätten. Demgegenüber hatte in der vergangenen Woche eine Zeugin ausgesagt, sich in der fraglichen Nacht schlafend auf dem Sofa des Wohnzimmers aufgehalten zu haben. Verletzt worden sei sie nicht.</span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Die Rechtsanwältinnen des Angeklagten sahen im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft in dem Geschehen eine Sachbeschädigung. Für eine Körperverletzung habe es dem Angeklagten am erforderlichen Vorsatz gefehlt.</span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Dieser Rechtsauffassung schloss sich die erkennende Staatsschutzkammer an und verurteilte den Angeklagten wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen (Einzelstrafe). Wegen dreier weiterer Sachbeschädigungen wurden Einzelstrafen von jeweils 30 Tagessätzen verhängt. Daneben wurde der Angeklagte noch wegen eines Landfriedensbruchs zu 70 Tagessätzen und wegen eines weiteren Landfriedensbruchs im besonders schweren Fall zu einer Einzelstrafe von 6 Monaten verurteilt.</span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Das Gericht bildete hieraus eine Gesamtstrafe von 9 Monaten und setzte diese zur Bewährung aus. Hiermit blieb es hinter der von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafe (ein Jahr zur Bewährung) zurück; die Anwältinnen des Angeklagten hatten die Entscheidung ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt. </span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Von den verhängten 9 Monaten Freiheitsstrafe erklärte das Gericht für den Fall, dass dem Angeklagten im Falle einer erneuten Straffälligkeit während der zweijährigen Dauer der Bewährungszeit die Bewährung widerrufen werden sollte, 7 Monate für bereits verbüßt, so dass der Angeklagte brutto nur noch 2 Monate würde absitzen müssen. Die 7 Monate, die für verbüßt erklärt wurden, seien, so der Vorsitzende der außergewöhnlich langen Dauer des Verfahrens geschuldet, die dem Angeklagten nicht angelastet werden könne. Pro Jahr Hauptverhandlung habe man einen Monat für verbüßt angerechnet. </span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Es sei besonders bitter für den Angeklagten, dass er trotz seines frühen Geständnisses so lange im Verfahren habe bleiben müsse. Der Tatvorwurf der kriminellen Vereinigung habe alle Einzeltaten, die ansonsten beim Amtsgericht in etwa drei Tagen hätten abgehandelt werden können, überlagert. Heute war es für den Angeklagten übrigens Tag 373, gerechnet vom 1. Hauptverhandlungstag des ersten Durchlaufs an. </span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">In jeder denkbaren Bewertung, so der Vorsitzende weiter, sei das Verfahren von zu langer Dauer gewesen. Alles, was die Strafjustiz mache, solle verhältnismäßig sein. Die Frage der Sinnhaftigkeit stelle sich ihm hier in einer Weise wie noch nie zuvor in seiner Tätigkeit als Richter.</span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Zugunsten des Angeklagten berücksichtigte die Kammer daneben die vom diesem geleistete Aufklärungshilfe. Von der Verhängung von Bewährungsauflagen wurde abgesehen. Der Angeklagte sei durch das Verfahren genug gestraft, so dass man ihn nicht noch zusätzlich mit Auflagen beschweren wolle.</span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Mit guten Wünschen für die Zukunft seitens der Kammer und einem übereinstimmend von ihm selbst, seinen Anwältinnen und der Staatsanwaltschaft erklärten Rechtsmittelverzicht endete das Verfahren für den Angeklagten, der in seinem letzten Wort erklärt hatte, erleichtert zu sein darüber, endlich einen Schlussstrich ziehen zu können.</span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Den endgültigen Schlussstrich in pekuniärer Hinsicht wird er indes erst zu einem späteren Zeitpunkt ziehen können. Ihm wurden </span><span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"><span style="background-color: white; color: black; display: inline; float: none; font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif; font-size: 16px; font-style: normal; font-variant: normal; font-weight: 400; letter-spacing: normal; text-align: left; text-decoration: none; text-indent: 0px; text-transform: none; white-space: normal; word-spacing: 0px;">1/10 der Kosten und notwendigen Auslagen des 3. Durchgangs auferlegt. Diese Kosten sind derzeit noch nicht bezifferbar; der Vorsitzende vermochte daher heute nur so viel zu sagen, dass es keine kleine Summe sein werde.</span></span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"></span><b></b><i></i><u></u><sub></sub><sup></sup><strike></strike><br />
<br />
<br />
<br />Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-76534994841629153642019-07-02T14:56:00.003+02:002019-07-02T14:56:46.846+02:00Aktionsbüro Mittelrhein #3 - Ai Weiwei und Ach du dickes EiHeute wurde beim Landgericht Koblenz das Verfahren gegen einen der in der Vorwoche abgetrennten Angeklagten fortgesetzt. Diesem Angeklagten wirft die Anklage neben der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung die Teilnahme am sog. "Marsch der Unsterblichen" vor, der im November 2011 in Düsseldorf stattgefunden haben soll sowie Sachbeschädigungen in Form von Schmierereien an Schulen in Nordrhein-Westfalen.<br />
<br />
Was den "Marsch der Unsterblichen" angeht, sieht die Anklage hierin einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Mehrere Angeklagte sollen mit weißen Theatermasken über dem Gesicht eine Tour durch ein gutbürgerliches Stadtviertel der Landeshauptstadt gemacht haben. An der Spitze des Zuges soll ein Transparent mit der Aufschrift "Volkstod stoppen" getragen worden sein. Zudem sollen Bengalos und Feuerwerkskörper gezündet worden sein.<br />
<br />
Die Verteidigung hatte in den vergangenen Wochen mehrfach thematisiert, dass der Aufzug, sollte er so stattgefunden haben, wie ihn die Anklage beschreibt, Kunst im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz, gewesen sei. Zuletzt war ein Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis eben dieser Tatsache gestellt worden mit Bezugnahme auf den mir bis dahin völlig unbekannten Künstler <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ai_Weiwei">Ai Weiwei</a>, von dem ich inzwischen weiß, dass er Weltruf genießt und seine Meinung in Expertenkreisen nicht ungehört verhallt, wenn er etwa erklärt, er sei ein Künstler und für ihn sei jede Geste in Ordnung. Selbst der Hitlergruß sei nur eine menschliche Geste. Sie repräsentiere etwas Falsches, aber ohne das Falsche wüssten wir nicht, was richtig sei. Die Werke von Ai Weiwei werden noch bis September in Düsseldorf (!) ausgestellt und die dortige Kuratorin soll über den Künstler geäußert haben: "Für Ai Weiwei gibt es bekanntlich keinen Unterschied zwischen Kunst und politischem Aktivismus." (Quelle:<a href="https://www.sueddeutsche.de/kultur/ai-weiwei-retrospektive-kunstsammlung-nordrhein-westfalen-rezension-1.4449382"> Süddeutsche Zeitung</a>).<br />
<br />
Die Kammer hatte diesen und ähnliche Anträge bislang nur entgegengenommen, aber nicht verbeschieden.<br />
<br />
Spätestens seit der Beuys´schen Fettecke wissen wir, dass Kunst ein weiter Begriff ist und Kunst nicht nur Dasjenige ist, was einer Mehrheit gefällt oder den Wertvorstellungen der Mehrheit entspricht. Dass Kunst auch politisch sein darf, bedarf angesichts von künstlerischen Darstellungen wie etwa Derjenigen der Dame, die einen Schal mit blutgetränkter Wolle strickte (wer die Einzelheiten wirklich wissen will, der lese <a href="https://www.bild.de/news/ausland/kunst/vagina-stricken-frau-39131850.bild.html">hier</a> weiter) keiner wirklich ernsthaften Diskussion.<br />
<br />
Ernsthafte Diskussionen über die Anträge der Verteidigung hinsichtlich des Kunstcharakters des "Marschs der Unsterblichen" hat die Staatsschutzkammer jedoch im Vorlauf zum heutigen Termin geführt und so begann die Verhandlung mit fast halbstündiger Verspätung.<br />
<br />
Der Angeklagte ließ sich wie gehabt nicht zu den Anklagevorwürfen ein und so kam es, dass der Vorsitzende das Ergebnis der vorläufigen Beratung der Kammer hinsichtlich dieses Anklagevorwurfs bekanntgab und wonach die Kammer geneigt sei, dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachens nachzugehen, was bedeutete, dass das Verfahren heute nicht zum Ende geführt werden könne.<br />
<br />
Die von diesen Ausführungen überraschte Staatsanwaltschaft wurde zu dem Hinweis des Gerichts angehört. Die Vertreter der Staatsanwaltschaft baten sich Bedenkzeit aus. Sie können binnen einer Woche Stellung nehmen.<br />
<br />
Es bleibt spannend. Sollte die Kammer an ihrer Auffassung festhalten, dass am Vorbringen der Verteidigung etwas dran ist, bliebe entweder die Beweiserhebung oder der Anklagepunkt müsste anderweitig erledigt werden, etwa durch Einstellung. Diese wiederum setzt einen darauf gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft voraus.<br />
<br />
Das abgetrennte Verfahren wird voraussichtlich am 16.7.2019 fortgesetzt. Der für diesen Angeklagten angedachte kurze Prozess fand heute nicht statt.<br />
<br />
Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-17735593864005143902019-06-27T19:04:00.002+02:002019-06-27T19:04:54.896+02:00Aktionsbüro Mittelrhein #3 18. bis 23. Hauptverhandlungstag oder Da waren´s nur noch 9Die Reihen lichten sich und selbst mit viel Wohlwollen wird man nicht mehr von einem Mammutverfahren sprechen können, zumindest nicht, wenn es um die Zahl der Angeklagten geht, die inzwischen bei 9 liegt (von ursprünglich 26). In zeitlicher Hinsicht schrieben wir gestern den 360. Hauptverhandlungstag und liegen damit ziemlich weit vorne.<br />
<br />
Das Wichtigste vorab: Das Verfahren wurde gegen zwei weitere Angeklagte abgetrennt.<br />
<br />
Einer der Abgetrennten ist der Angeklagte, der kurz nach seiner Verhaftung umfassende Angaben gegenüber den Ermittlungsbehörden gemacht hatte, sich bis heute in einem Zeugenschutzprogramm befindet und deshalb stets von zwei Beamten des Zeugenschutzes in die Hauptverhandlung begleitet wurde.<br />
<br />
Der andere Angeklagte hatte zu den Vorwürfen geschwiegen; das Gericht sieht das Verfahren gegen ihn als spruchreif an, was nichts Anderes bedeutet als dass es aufgrund der bislang erhobenen Beweise zu einem Urteil gelangen möchte. Es bleibt abzuwarten, ob der Kammer die erhobenen Beweise für eine Verurteilung dieses Angeklagten reichen oder ob er freigesprochen werden wird.<br />
<br />
Wie bereits in den Verhandlungstagen zuvor war die Beweisaufnahme wiederum geprägt von Erinnerungslücken infolge Zeitablaufs, die auch nicht dadurch besser wurden, dass das Gericht den Zeugen ihre früheren Aussagen vorlas. Der einzige Zeuge, der mit den Jahren eloquenter geworden war, war der ermittlungsführende Polizeibeamte. Im Gegensatz zu "normalen" Zeugen stehen den sog. Berufszeugen die Akten und damit die Aussagen derer, die sie vernommen haben, noch Jahre später zur Verfügung, so dass sie in der Lage sind, sich auf ihre Vernehmung entsprechend vorzubereiten. In diesem Licht müssen dann auch deren Aussagen betrachtet werden.<br />
<br />
Die Verfahren gegen die zuletzt abgetrennten Angeklagten werden kommenden Dienstag und Mittwoch bei der Staatsschutzkammer des Landgerichts Koblenz verhandelt werden.Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-39933955704667174322019-05-23T10:53:00.000+02:002019-05-23T10:53:39.409+02:00Aktionsbüro Mittelrhein #3 - 14. bis 17. Hauptverhandlungstag<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Die zurückliegenden vier Hauptverhandlungstage waren geprägt von Zeugenvernehmungen, die wenig Erhellendes zutage förderten.</span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Zwei ehemalige Angeklagte waren zu einem Anklagevorwurf vernommen worden, der einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetzt aus dem Jahr 2011 zum Gegenstand hat. Wie kaum anders zu erwarten war, war es um die Erinnerung angesichts der vergangenen 8 Jahre nicht zum Besten bestellt.</span><br />
<br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Sodann waren Polizeibeamte vernommen worden, die die Vernehmungen mit den in den Wochen zuvor einvernommenen Zeugen durchgeführt hatten. Hierbei stellte sich heraus, dass die Vernehmungsprotokolle keine Wortprotokolle waren, sondern die Antworten auf die Fragen der Beamten eine Art Zusammenfassung ihres wesentlichen Inhalts durch die Vernehmungsbeamten darstellten. Dies ist leider nicht unüblich. Man muss kein Jurist sein um zu wissen, dass das gesprochene Wort anders klingt als sein zusammengefasster Inhalt in Schriftform. </span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Nehmen wir einmal folgenden, simplen Satz: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass Wilhelm Brause dabei war". Theoretisch kann dieser Satz genau so gefallen sein. Praktisch kann es anders gewesen sein, im Wortlaut etwa so: "Hm. Ob der Wilhelm Brause dabei war? Weiß ich jetzt grad gar nicht. (Zeuge überlegt) Der war eigentlich immer dabei, wenn es was zu Saufen gab. Ich glaub, der hatte zu der Zeit auch Stress mit seiner Alten... da wird er froh gewesen sein, mal rauszukommen... (Pause) Doch, das macht schon Sinn. Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass der dabei war." </span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Sollte nur der Satz "Ich bin mir ziemlich sicher, dass Wilhelm Brause dabei war" protokolliert worden sein, ist das nicht falsch, aber es entbehrt der Vollständigkeit, weil die Entwicklung der Aussage nicht nachvollziehbar ist. Wäre sie protokolliert worden, dann wäre klar, dass der Zeuge Rückschlüsse gezogen hat, Informationen rund um Wilhelm Brause logisch zusammengesetzt hat, sich aber gerade nicht konkret daran erinnert, ob Wilhelm Brause nun dabei war oder nicht.</span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Es gibt keine Vorschrift, dass ganze Aussagen von Zeugen im Wortlaut zu protokollieren oder gar aufzuzeichnen sind mit der Folge, dass Prozesse vielfach hieran kranken. Ein erfahrener Verteidiger wird - sofern Richter und Staatsanwalt, die zuerst das Fragerecht haben, dies nicht bereits getan haben - den Zeugen, der sich "ziemlich sicher" ist, dazu befragen, woran er seine Sicherheit festmacht. Macht der Verteidiger seine Arbeit gut, wird er genau Dasjenige herausarbeiten, was der Zeuge tatsächlich gesagt hat. Er wird nicht nur um das Wissen um den Krach zwischen Wilhelm Brause und seiner Gattin bereichert werden, sondern auch noch allerlei über dessen Trinkgewohnheiten und Konfliktvermeidungsstrategien erfahren haben, bevor er dann festhalten darf, dass der Zeuge sich gerade nicht sicher ist und nicht sicher sein kann, dass Wilhelm Brause zugegen war.</span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Sind die Prozessbeteiligten weniger erfahren und/oder motiviert und hinterfragen die Aussage nicht, dann erstarkt die "ziemliche" Sicherheit des Zeugen im Urteil zu einer Überzeugung des Gerichts, wonach Wilhelm Brause zugegen war mit allen sich hieraus ergebenden Konsequenzen, seien sie für den Angeklagten nun positiv oder negativ.</span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Mir persönlich schwillt immer der Kamm, wenn ich in der Presse lese, Verteidiger hätten die Zeugen stundenlang befragt, sie gleichsam gequält mit der Folge, dass der Zeuge sich sicher wie auf der Anklagebank gefühlt habe. Viele Fragen könnte man sich sparen, wenn nicht bloß Inhaltsprotokolle von Aussagen angefertigt würden, sondern Wortprotokolle. Solange es aber keine Wortprotokolle von Aussagen gibt, werden Aussagen zu hinterfragen sein. Ein Verteidiger, der Aussagen nicht in Zweifel zieht, kommt seiner Aufgabe nicht nach.</span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Zurück zum Verfahren. Die Staatsschutzkammer hat die Aussagen der früheren Angeklagten, die sich zum Teil nicht oder nur eingeschränkt erinnern konnten, nach § 253 StPO verlesen mit dem Ziel, dass das Gedächtnis aufgefrischt werden sollte. Das Ziel konnte nicht erreicht werden.</span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Bleibt noch, mitzuteilen, dass der Prozess in dieser Woche sehr zügig voranschritt. Thematisch ging es um den Vorwurf von Graffitischmierereien an diversen Schulen im Bereich Bonn aus dem Jahr 2011. An zwei Hauptverhandlungstagen waren hierzu insgesamt 7 Polizeibeamte vernommen worden. Es dürfte sich dabei um einen Rekord handeln. Nie zuvor waren derart viele Zeugen in so kurzer Zeit vernommen worden. Der Grund dafür ist denkbar einfach: die Polizeibeamten erinnerten sich nicht an ihre 8 Jahre zurückliegenden Einsätze, was mit Blick auf das vorgeworfene Delikt, eine Sachbeschädigung, wie sie Polizeibeamten dutzendfach aufnehmen, nicht weiter verwundert.</span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><br /></span>
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Die Hauptverhandlung wird kommenden Dienstag fortgesetzt.</span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-61167536254147111052019-05-08T12:56:00.000+02:002019-05-08T12:56:23.619+02:00Aktionsbüro Mittelrhein #3 - 13. Hauptverhandlungstag - Abtrennung und Aussetzung<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Am gestrigen 13. Hauptverhandlungstag fehlte zu Beginn der Verhandlung ein Angeklagter, der regelmäßig aus der Schweiz anreiste. Zunächst hatte er in Süddeutschland eine Autopanne, bevor er dann mit einem eilig gebuchten Mietwagen in der Höhe von Stuttgart in einem Stau stand. In Koblenz wäre er daher erst um die Mittagszeit herum gewesen.</span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Das Gericht trennte das gegen diesen Angeklagten gerichtete Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ab. In der Begründung lautete es, diese Vorgehensweise sei prozessökonomisch. Die Verteidigung hatte der Abtrennung widersprochen unter Hinweis darauf, dass ein weiterer Prozess mit umfangreicher Beweisaufnahme keinesfalls ökonomischer sei als ein Zuwarten von drei Stunden bis zum Eintreffen des Angeklagten. Auch in Anbetracht des Vorwurfs der kriminellen Vereinigung sei eine Abtrennung untunlich.</span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Die Kammer verfügte nach erfolgter Abtrennung, dass das Verfahren gegen den abgetrennten Angeklagten am Folgetag, also heute, fortgesetzt werde, nachdem der für heute anberaumte Termin bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgehoben worden war und somit wieder zur Verfügung stand. </span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Zu einem solch schnellen Prozess gegen den abgetrennten Angeklagten kam es jedoch nicht. Die Strafprozessordnung sieht für Angeklagte eine Ladungsfrist von mindestens einer Woche vor, § 217 StPO. Durch die mündliche Ladung im gestrigen Termin, in dem nur die Verteidigerin des Angeklagten anwesend war, ist der Angeklagte damit nicht ordnungsgemäß geladen und musste daher am heutigen Tag nicht erscheinen. </span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Die rechtlich zutreffende Folge hiervon ist, dass das Verfahren gegen den abgetrennten Angeklagten ausgesetzt werden muss. Es wird zu einem späteren Zeitpunkt, den die Kammer zu bestimmen haben wird, wieder aufgerufen werden und wird dann von vorne beginnen, nachdem Erkenntnisse aus dem noch laufenden Verfahren nicht "importiert" werden dürfen. Mit anderen Worten: soweit die Beweisaufnahme im laufenden Verfahren bereits erfolgt ist, muss sie im abgetrennten Verfahren wiederholt werden. </span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Gegen die verbleibenden 11 Angeklagten wurde das Verfahren fortgesetzt durch Vernehmung zweier ehemaliger Angeklagter, die zu einem Anklagepunkt (Verstoß gegen das Versammlungsgesetz im Jahre 2011) vernommen wurden. Durch den langen Zeitablauf konnten Erinnerungen nur noch in begrenztem Umfang abgerufen werden und selbst nach Verlesung der Aussagen, die die Angeklagten seinerzeit bei den Ermittlungsbehörden gemacht hatten, blieben die Erinnerungen vage. </span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Das Verfahren wird kommende Woche Dienstag fortgesetzt.</span>Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-64995096647351270662019-04-11T15:29:00.000+02:002019-04-11T15:29:31.955+02:00Aktionsbüro Mittelrhein #3 - 9. bis 12. Hauptverhandlungstag<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><span style="font-size: small;">Die Beweisaufnahme hat begonnen.</span></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><span style="font-size: small;"><br /></span></span>
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><span style="font-size: small;">Die letzten Verhandlungstage waren geprägt von Zeugenvernehmungen zur einem Vorfall, der sich 2011 in einem Düsseldorfer Vorort ereignet haben soll. Die Anklage wirft einigen Angeklagten vor, sich an einem unangemeldeten Aufzug beteiligt zu haben, bei dem weiße Theatermasken getragen worden sein sollen. Zusätzlich soll Pyrotechnik in Form von Bengalos zum Einsatz gekommen sein. Angeklagt ist das Ganze als Verstoß gegen das Versammlungsgesetz.</span></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><span style="font-size: small;"><br /></span></span>
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><span style="font-size: small;">Seinerzeit war die Polizei in Düsseldorf einiger Personen habhaft geworden, die sie im Umfeld der nicht angemeldeten Versammlung angetroffen hatte. Gegen diese Personen wurde das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf eingestellt. </span></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><span style="font-size: small;"><br /></span></span>
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><span style="font-size: small;">Soweit ehemalige Mitangeklagte einige der Angeklagten in früheren Vernehmungen hinsichtlich der Teilnahme an der Aktion belastet hatten, wiederholten sie diese Angaben in der jetzigen Hauptverhandlung nicht. Dadurch, dass die Vorfälle lange Zeit zurückliegen, konnten sich die Zeugen kaum noch an die Ereignisse erinnern und im Strafprozess zählt, stark vereinfacht ausgedrückt, nur Dasjenige, was im Zeitpunkt der Aussage noch erinnert wird. </span></span><br />
<br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><span style="font-size: small;">Einer der früheren Angeklagten schilderte nachvollziehbar, dass er seinerzeit nahezu jedes Wochenende bei irgendeiner Demonstration zugegen gewesen sei und heute beim besten Willen nicht mehr sagen könne, wann er wo mit wem gewesen sei und was genau sich ereignet habe.</span></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><span style="font-size: small;"><br /></span></span>
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><span style="font-size: small;">Ähnlich ging es den seinerzeit mit der Sache befassten Polizeibeamten, die erst zum "Tatort" gekommen waren, nachdem die Versammlung sich bereits aufgelöst hatte. </span></span><br />
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><span style="font-size: small;"><br /></span></span>
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><span style="font-size: small;">Abweichend von der im ersten Durchlauf tätigen Kammer sieht die jetzige Kammer zwei wesentliche strafprozessuale Dinge anders. Zum Einen vertritt sie die Auffassung, dass ehemaligen Angeklagten kein generelles Zeugnisverweigerungsrecht mehr zusteht und zum Anderen handhabt sie Beurlaubungen großzügiger als ihre Vorgänger, weshalb am gestrigen Tag ohne einen Angeklagten verhandelt wurde. Dieser war beurlaubt worden, weil er die mündliche Prüfung im 1. Staatsexamen ablegte. Studiengang: Jura, was sonst? </span></span><br />
<br />Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-16707863706753062012019-03-29T10:07:00.001+01:002019-03-29T10:22:24.069+01:00Aktionsbüro Mittelrhein #3 - der erste Freispruch<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Am gestrigen Tag hat das Landgericht Koblenz einen Angeklagten, dessen Verfahren zum dritten Anlauf hin abgetrennt worden war, freigesprochen und ihm für die erlittene Untersuchungshaft eine Haftentschädigung zugesprochen.</span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Dem (inzwischen ehemaligen) Angeklagten war die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen worden. Sie stützte sich maßgeblich auf die Aussagen des Kronzeugen der Anklage, auf dessen Aussage hin das Verfahren seinerzeit ins Rollen gekommen war. Dieser Zeuge hatte ausgesagt, der Freigesprochene habe anlässlich einer Demonstration in Dresden Straftaten begangen. Hierauf hatte man im März 2012 den Angeklagten festgenommen und in Untersuchungshaft verbracht. Kurz vor Prozessbeginn im August 2012 wurde er aus der Haft entlassen, nachdem er den Alibibeweis hatte führen können, am fraglichen Tag gar nicht in Dresden gewesen zu sein. Hiermit konfrontiert erklärte der Kronzeuge, dann habe er Dresden wohl mit einer Kundgebung in Halle verwechselt, bei der keine Straftaten begangen worden seien. Man darf wohl zusammenfassen, dass die Himmelrichtung vom Rheinland aus gen Osten stimmte.</span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Wer sich nur fragt, weshalb es dann doch insgesamt sieben Jahre gedauert hat bis der Freispruch erfolgt, der werfe einen Blick ins Gesetz, genauer in § 129 StGB. Der Tatbestand setzt das Bestehen einer auf die Begehung von Straftaten gerichteten Vereinigung voraus und Mitglied kann jeder sein, der sich dem Gruppenwillen unterordnet und sich an der Tätigkeit der Organisation beteiligt, wobei die Palette reicht von Durchführung von Straftaten bis hin zum Zahlen von Beiträgen. Trotzdem der Vorwurf "Dresden" für den Angeklagten recht zügig vom Tisch war, hat dies formaljuristisch nicht dazu geführt, dass die Sache unmittelbar danach freispruchreif gewesen wäre. </span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Der am gestrigen Tag als Zeuge vernommene Richter des ersten Durchlaufs bestätigte, dass die 337-tägige Hauptverhandlung "nichts, aber auch gar nichts" zu Tage gefördert habe, was auf eine Schuld des Angeklagten hätte schließen lassen. Als Zuschauer hätte ich mir Nachfragen dahingehend gewünscht, warum man nicht schon vorher das Verfahren gegen ihn abgetrennt hatte und ab welchem Zeitpunkt man nicht mehr von einer Verurteilungswahrscheinlichkeit ausgegangen war, aber Zuschauerbeteiligungen gibt es im deutschen Strafprozess richtigerweise nur bei nachmittäglichen Gerichtssendungen.</span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Der jetzt zuständige Kammervorsitzende sprach im Urteil sein Bedauern darüber aus, dass der Angeklagte so lange in dem Verfahren verhaftet gewesen sei, schließlich sei die Grundlage der Vorwürfe überschaubar gewesen. Er hätte sich ein früheres Ende für ihn gewünscht und der jetzt erfolgte Freispruch sei überfällig gewesen. Dem kann man nur noch hinzufügen: Alles Gute dem ersten Freigesprochenen!</span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"></span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Der Prozess gegen die noch verbleibenden 12 Angeklagten wird kommenden Dienstag fortgesetzt, wie üblich ab 9.30 in Saal 128.</span><br />
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"></span><br />
Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-24372632740820142472019-03-28T08:45:00.001+01:002019-03-28T09:02:38.386+01:00Aktionsbüro Mittelrhein #3 - 7. und 8. Hauptverhandlungstag<br />
<div style="margin: 0px 0px 0px 72px; text-align: justify;">
<span style="margin: 0px;"><span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Am 7. Hauptverhandlungstag wurde die Vernehmung des
aussagebereiten Angeklagten fortgesetzt, die an Ergiebigkeit nicht gewonnen
hatte, was angesichts des Zeitablaufs verständlich ist. Es gab Diskussionen
über die Länge der Vorhalte der Staatsanwaltschaft aus früheren Vernehmungen
dieses Angeklagten, die gemacht worden waren in der Hoffnung, hiermit sein
Gedächtnis aufzufrischen. Diese Hoffnung erfüllte sich selbst dann, wenn das Gericht die Vorhalte erlaubte, in weiten Zügen nicht.
Der Angeklagte vermochte sich nicht einmal mehr an die Umstände seiner Vernehmung
zu erinnern, in der verschriftet worden war, man sei nach einer Mittagspause in
der zweiten ganztägigen Vernehmung zum „Du“ gewechselt. Es entspricht nicht den
üblichen Gepflogenheiten, dass sich erwachsene Beschuldigte und
Vernehmungspersonen Duzen. Genauso wenig üblich dürften Vernehmungsmarathons
von zum Teil mehr als 12 Stunden sein. Diese besonderen Umstände wären
sicherlich zu vertiefen gewesen, wenn denn die Vernehmung insgesamt gehaltvoller gewesen
wäre. Immerhin konnte herausgearbeitet werden, dass die Vernehmungsprotokolle keine Wortprotokolle darstellen. Die geschliffenen anmutenden Formulierungen, die zum Teil Eingang in die Anklage fanden, entsprangen jedenfalls nicht dem gepiercten Mund des Angeklagten.</span></span></div>
<div style="text-align: justify;">
</div>
<div style="margin: 0px 0px 0px 72px; text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
</div>
<div style="margin: 0px 0px 0px 72px; text-align: justify;">
<span style="margin: 0px;"><span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Am Morgen des gestrigen 8. Verhandlungstag traf ich, von einem plötzlichen Hustenreiz erfasst, meinen ebenfalls hustenden Mitverteidiger vor dem Aufzug des Landgerichts, der sich schon
darüber gewundert hatte, dass jeder, der das Gericht betrat, hustete. Wir
husteten eine Weile gemeinsam mit einigen Kollegen um die Wette bis wir gewahr
wurden, dass im Erdgeschoss jemand Reizgas versprüht hatte. Es folgten
ein Feuerwehreinsatz und eine damit einhergehende unfreiwillig lange Pause.</span></span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 0px 72px;">
<br /></div>
<div style="margin: 0px 0px 0px 72px;">
<span style="margin: 0px;"><span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Am Nachmittag begann die Vernehmung zu einem Anklagepunkt, der einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz aus dem Jahr 2011 zum Gegenstand hat. Die Beweisaufnahme zu diesem Punkt wird auch die nächsten Verhandlungstage in Anspruch nehmen, wobei das Beweisprogramm um einen zwischenzeitlich nach Kenia verzogenen Zeugen gekürzt werden könnte, sollte dieser "unerreichbar" im Sinne des Gesetzes sein. </span></span></div>
<b></b><i></i><u></u><sub></sub><sup></sup><strike></strike><span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"></span>Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-32775050570291963752019-03-21T15:00:00.000+01:002019-03-21T15:00:29.892+01:00Aktionsbüro Mittelrhein #3 - 6. HauptverhandlungstagAm gestrigen 6. Hauptverhandlungstag wurde die am Vortag begonnene Vernehmung des einzig aussagebereiten Angeklagten fortgesetzt. Dieser befindet sich seit seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft in einem Zeugenschutzprogramm, so dass er zu seiner gegenwärtigen Wohn- und Lebenssituation keine Angaben machen musste.<br />
<br />
Das Gericht befragte ihn zu einzelnen, ihn betreffenden Anklagepunkten. Daneben stand er für Fragen der Staatsanwaltschaft zur Verfügung, nicht jedoch für solche der Verteidigung bzw. der Angeklagten selbst. Dieses Verhalten ist durchaus legitim, schließlich hat ein Angeklagter in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren alle denkbaren Möglichkeiten: er darf aussagen, er darf schweigen und er darf teilschweigen. Teilschweigen meint, dass er jederzeit seine Aussage abbrechen darf oder wie hier sich vorbehalten darf, nicht auf Fragen der Verteidigung zu antworten. Im Gegensatz zur Variante des Schweigens, aus dem keine für den Angeklagten negativen Schlüsse gezogen werden dürfen, darf das Gericht alles, was er sagt, auch gegen ihn verwerten und auch aus einem Teilschweigen negative Schlüsse ziehen.<br />
<br />
Der Angeklagte, der bereits im ersten Anlauf umfassende Angaben gemacht und dessen Vernehmung seinerzeit 8 Hauptverhandlungstage in Anspruch genommen hatte, wird noch an mindestens einem weiteren Tag vernommen werden. Dass es diesmal schneller geht, liegt jedoch nicht etwa daran, dass das Gericht weniger wissen wollte als vor 7 Jahren, sondern ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass die Erinnerung des Angeklagten mit der Zeit nicht besser geworden ist.<br />
<br />
Einen von meinem Mitverteidiger und mir gestellten Antrag auf Videoaufzeichnung des Verfahrens hat das Gericht übrigens in der Zwischenzeit zurück gewiesen. Der Vorsitzende äußerte sinngemäß in diesem Zusammenhang am Rande eines kleinen juristischen Schlagabtauschs mit der Verteidigung, ganz froh zu sein, dass keine Aufzeichnung erfolge. Diese Freude teile ich nicht. In anderen Ländern sind Aufzeichnungen von Gerichtsprozessen längst die Regel und einige deutsche Gerichte lassen Aufzeichnungen in Umfangsverfahren bereits zu. Gerade in lange andauernden Verfahren wäre es für alle Beteiligten vorzugswürdig, auf Aufzeichnungen zurückgreifen zu können, aber so weit sind wir zumindest in Koblenz noch nicht.<br />
<br />
Das Verfahren wird kommenden Dienstag fortgesetzt.<br />
<br />
<br />
<br />Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7892948583565482110.post-81328614016403285192019-03-20T08:54:00.002+01:002019-03-20T08:54:52.515+01:00Aktionsbüro Mittelrhein #3 - 5. Hauptverhandlungstag oder : Da waren es nur noch 12Der Tag startete mit einem Angeklagten weniger. Das Verfahren gegen ihn war wegen der langen Verfahrensdauer und der damit einhergehenden erheblichen Belastung für ihn eingestellt worden. Nach dem bisherigen Verfahren sei seine Schuld als gering anzusehen im Sinne des § 153 StPO und ein öffentliches Interesse an der Verurteilung bestehe nicht mehr. Mit Kosten wurde dieser Angeklagte nicht belastet; diese trägt die Staatskasse. Haftentschädigung für die 59-tägige Untersuchungshaft wurde ihm hingegen nicht zugesprochen.<br />
<br />
Ob der ehemalige Angeklagte in dem Verfahren wieder als Zeuge auftauchen wird - am 4. Hauptverhandlungstag hatte er alle vorher gemachten Angaben widerrufen - bleibt abzuwarten.<br />
<br />
Erfreulich und in der Konsequenz nicht mehr als richtig ist, dass die Kammer den Angeklagten seit gestern gestattet, ihre eigenen Laptops mitzubringen um diese dazu zu nutzen, Einsicht in die Akten und in ihre eigenen Notizen aus dem 1. Durchgang zu nehmen. Dieser Punkt hatte in den Hauptverhandlungstagen zuvor immer wieder zu Diskussionen zwischen den Prozessbeteiligten geführt.Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M.http://www.blogger.com/profile/11614161189667252334noreply@blogger.com0