Donnerstag, 5. September 2013

Aktionsbüro Mittelrhein - von Nasenspitzen und Beamern

Eigentlich sollte alles ganz schnell gehen. Einer Zeugin sollten Videoaufnahmen gezeigt werden und sie sollte dazu aussagen.

Da es bei Zeugen immer darauf ankommt, ob deren Aussage glaubhaft ist, müssen die Prozessbeteiligten in die Lage versetzt werden, dies zu beurteilen, unter anderem dadurch, dass sie den Zeugen während der Dauer seiner Aussage beobachten können. In nicht wenigen Seminaren für Strafverteidiger geht es demnach um die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen und in diesem Zusammenhang auch um die Frage, ob man einem lügenden Zeugen seinen Hang zum nonchalanten Umgang mit der Wahrheit pinocchiogleich an der Nasenspitze ansehen kann. Das wiederum erfordert freien Blick auf des Zeugen Nasenspitze.

Anders als manch anderer Zeuge war diese Zeugin im Gefolge von bewaffneten Personenschützern und Zeugenbeistand erschienen, so dass neben ihr 4 weitere Personen in ihrem unmittelbaren Umfeld Platz nahmen. Damit die Zeugin während ihrer Aussage auch bis in die letzte der 6 Reihen gesehen werden kann, wird sie mittels Beamer auf eine Leinwand oberhalb des Richtertischs übertragen. Dergleichen Beamer sollte nun aber dazu dienen, das Video zu zeigen. An sich keine große Sache, wenn gleichzeitig gewährleistet ist, dass man die Zeugin ebenfalls sehen kann. Dem war aber nicht so und so hörten wir trotz entsprechender Proteste die Stimme der Zeugin aus dem Off derweil das Video lief.

Die Kammer war der Meinung, dass die für die Zeugin getroffenen Sicherheitsmaßnahmen einer Änderung der Sitzordnung entgegenstünden. Es war nämlich beantragt worden -wie zuvor mit anderen Zeugen geschehen- die Zeugin erhöht zu platzieren.

Die Entscheidung der Kammer lässt sich mit höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht vereinbaren. Mehr als einmal haben sich Obergerichte dazu geräuspert, dass alle Prozessbeteiligten den Zeugen während seiner Aussage sehen können müssen.

Gerne hätte ich die Rechtsprechung um die Entscheidung bereichert, dass diese Grundsätze auch bei besonders gefährdeten Zeugen gelten, aber dazu wird es nicht kommen, da die Kammer meinem erneuten Antrag, entweder die Zeugin nebst ihrem Gefolge erhöht zu platzieren oder aber die Leinwand so aufzuteilen, dass man einen geteilten Bildschirm hat, stattgegeben hat.

Das Gericht nutzte die Mittagspause dazu, eine zweite Leinwand und einen zweiten Beamer zu beschaffen, so dass fortan Zeugin und Video geschaut werden konnten. Das ist streng genommen sogar mehr als ich beantragt hatte und es zeigt, dass die Kammer sich -wenn schon nicht mein Genörgel- so aber doch die herrschende Rechtsprechung zu Herzen genommen hat.

Der für den Fall der Abweisung weiterführende Antrag, für dessen Vorbereitung ich die Mittagspause genutzt hatte, musste nicht gestellt werden.

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