Dienstag, 25. Mai 2010

Warum verteidigen Sie meinen Bruder?

Zu machen Briefe, die mich erreichen, fällt mir folgendes Kant-Zitat ein:

Der Mangel an Urteilskraft ist eigentlich das, was man Dummheit nennt, und einem solchen Gebrechen ist gar nicht abzuhelfen. (aus: Kritik der reinenVernunft)

Unlängst schrieb mir der Bruder eines Mandanten, er könne nicht verstehen, weshalb ich seinen Bruder verteidige. Der müsse doch endlich mal "richtig auf die Fresse fallen" und das würde er nicht, solange ich ihn verteidigte. Seine Familie sehe das übrigens auch so. Ich solle doch mal zurückschreiben und erklären, weshalb ich das mache.

Um es vorwegzunehmen: auf solche Schreiben reagiere ich nicht. Erstens wäre es ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitsverpflichtung, zweitens vertane Zeit und drittens braucht es keine Rechtfertigung, dass ein Verteidiger seinen Beruf ausübt, der viertens nicht darin liegt, Leuten den Rechtsstaat zu erklären, die zu dumm sind, zu begreifen, welches Glück sie haben, in einem solchen zu leben.

Was meinen Mandanten angeht: ich hadere mit mir, ob ich ihm den Brief zur Kenntnisnahme überlassen soll, vielleicht mit der Bemerkung, dass man sich seine Verwandtschaft nicht aussuchen kann.

6 Kommentare:

Mausflaus hat gesagt…

verstößt das nicht gegen das Postgeheimnis bzw. Persönlichkeitsrecht des Schreibers?

Anonym hat gesagt…

Liebe Frau Rueber,

es könnte sein, daß der Bruder gar nicht so Unrecht hat.
Kennen Sie dieses Prinzip?
http://de.wikipedia.org/wiki/Co-Abhängigkeit
Wenn man einem ständig aus der Patsche hilft..
Is nicht immer gut.
Aber Sie haben zu wenig Konkretes geschrieben. Vielleicht braucht der ja tatsächlich Hilfe.

Anonym hat gesagt…

Es wäre vermutlich der bessere Weg, den Brief nicht weiterzugeben. Denn sie würden sich schon in eine kleine moralische Zwickmühle begeben, wenn sie einerseits den (durchaus korrekten) Weg beschreiten, eben keine Reaktion auf den Brief folgen zu lassen, aber andererseits dann dem Schreibenden nicht ein vergleichbares Recht einräumen.

Sicher, er ist nicht ihr Mandant, und hat dementsprechen nicht den Anspruch auf denselben Schutz, aber man sollte trotzdem bedenken, daß auch er sicher seine (wenn auch für Außenstehende vielleicht nicht nachvollziehbare, weil emotionale oder durch Ereignisse der Vergangenheit begründete) Veranlassung gehabt hat, als er diesen Brief schrieb.

Wenn der Schreibende es ernst meint, wird er (oder die Familie) sich sowieso direkt an den Mandanten wenden, um seine/ihre Position zu verdeutlichen.

Und man darf auch nicht vergessen, Betroffene (auch indirekt) in einem Strafverfahren, ob nun als Opfer, mutmaßlicher Täter, Opferangehörige, aber auch (das wird gerne übersehen) Angehörige des mutmaßlichen Täters stehen meist unter einer besonderen Belastung, was ihre Urteilsfähigkeit nicht selten trübt. Hier sollte man Augenmaß walten lassen.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@Mausflaus: Einen Verstoß vermag ich nicht zu erkennen.
@Anonym1: Ich bezweifle stark, dass der Verfasser intellektuell in der Lage, das Wesen einer Coabhängigkeit auch nur ansatzweise zu erfassen. Zudem geht es im Falle meines Mandanten nicht um Abhängigkeiten. Er braucht Hilfe wie nahezu jeder Beschuldigte im Strafverfahren. Aber diskutieren Sie mal mit Verfassern solcher Briefe über die Unschuldsvermutung...
@Anonym 2: Ich gebe Ihnen Recht. Den Brief werde ich nicht weiterleiten. Nicht, weil ich den Verfasser schützen will, sondern weil ich denke, dass mein Mandant bereits genug Ärger hat (und damit meine ich nicht nur das Strafverfahren, sondern v.a. sein Umfeld). Der Brief würde mehr Staub aufwirbeln als notwendig und ich werde das Gefühl nicht los, dass es vielleicht genau das ist, was der Verfasser bezwecken möchte.

Kand.in.Sky hat gesagt…


und das würde er nicht, solange ich ihn verteidigte.


Wieso Dummheit?
Das ist ein klares Kompliment für die fachliche Kompetenz.


#k.

Knitter hat gesagt…

Nach Weiterleitung des Briefes: "Ich mach dich Messer, du Bruder"?