Montag, 29. Juni 2009

Overdressed

Reichlich overdressed erschien mein Mandant zum Hauptverhandlungstermin. Er ist 16 und stammt aus einem im besten Sinne konservativen Elternhaus. Auf dem Gerichtsflur wäre ich fast an ihm vorbeigelaufen, denn ich erkannte ihn nicht.
Seine Eltern hatten ihn in Anzug und Krawatte gesteckt und seinem Gesicht war anzusehen, dass er sich darin so gar nicht wohlfühlte.

"Ach du Schreck", sagte ich, "wir sind doch hier nicht beim Abschlussball." Meiner Aufforderung, die Krawatte auszuziehen, kam er gerne und unverzüglich nach. Offensichtlich hatte es wegen seines Outfits am Morgen schon Stress mit seinen Eltern gegeben, denn er war fast ebenso dankbarer dafür, wenigstens aus der Krawatte herauszukommen als über die Einstellung des Verfahrens, die kurze Zeit später folgte.

5 Kommentare:

Kand.in.Sky hat gesagt…

Sehr elegant den eigenen Erfolg im letzten Halbsatz zu stecken (typisch Frau?).

Bei 30°C und gefühlten 110% Luftfeuchtigkeit sind solche Outfits allerdings unangemessen - oder waren die Rämlichkeiten klimatisiert?


#k.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

Die Räumlichkeiten waren freilich nicht klimatisiert. Die Verhandlung fand im Westen der Republik statt und klimatisierte Säle kenne ich nur aus dem Osten. 30 Grad kommen infolge der Schulklasse nicht ganz hin. Ich schätze, es hatte mind. 35 Grad.

Anonym hat gesagt…

16-jähriger Angeklagter und Schulklasse im Saal ???

Anonym hat gesagt…

Worüber war er denn mehr erleichtert? Daß er den Prozess losgeworden ist, oder die Krawatte? :)

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@ballmann: Es gab noch einen heranwachsenden Angeklagten, § 48 III JGG.
@doppelfish: Ich vermute, langfristig über die Einstellung, kurzfristig über die Krawattenlosigkeit.