Donnerstag, 19. März 2009

Von Richtertricks und langen Bärten

Jeder Strafverteidiger kennt ihn, den alten Richtertrick: einfach mal bei einer Reno nachzufragen, wenn der Angeklagte nicht geladen werden konnte und sich keine Vollmacht bei der Akte befindet. Aus berufenem Munde weiß ich, dass er bisweilen klappt und manche Reno froh ist, dem netten Richter helfen zu können.

Für alle Nichtjuristen vereinfacht am Fall eines Berufungsverfahrens dargestellt: wenn ein Angeklagter mangels Adresse nicht geladen werden kann, muss sich das Gericht auf die Suche nach ihm begeben. Ausnahme: in der Akte befindet sich eine schriftliche Vollmacht des Verteidigers. Für diesen Fall erfolgt eine Ladung an den Verteidiger quasi als Vertreter des Angeklagten. Erscheint dann der Angeklagte nicht in der Hauptverhandlung, findet die Hauptverhandlung trotzdem statt, was beispielsweise in Berufungsverfahren für den Angeklagten nicht vorteilhaft ist, § 329 I StPO.

Doch nun zurück in den Büroalltag. Anruf des Richters (es geht um ein Berufungsverfahren), der von meiner Reno die Adresse meines Mandanten wissen möchte. Sie ist höflich und sagt, dass sie keine persönlichen Daten von Mandanten herausgeben dürfe. Der Richter hakt nach und meint, es sei wichtig, sonst könne die Verhandlung nicht stattfinden. Das, so meine Reno, sei sicherlich bedauerlich, ändere aber nichts daran, dass sie sich an meine Weisung gebunden sehe. Der Richter wird nun etwas ungehalten. Ich hätte da ganz sicher nichts dagegen und es wäre schließlich auch mein Interesse, dass verhandelt werden könne. Im Übrigen sei er es nicht gewohnt, so behandelt zu werden und er erwarte jetzt, dass ihm die Adresse mitgeteilt würde. Das war zuviel. Im Gegenzug bekam er von meiner Reno zu hören, dass sie sich weder unter Druck setzen noch aushorchen lasse. Der Trick mit dem Anruf beim Verteidiger sei ihr hinlänglich bekannt, der habe nämlich "sooooo einen Bart". Das Gespräch wurde dann einseitig beendet. Kommentar meiner Reno: "Hoppla. Aufgelegt."
Na sowas!?

12 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Neue lernt ja flink.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

Die Neue ist es erfreulicherweise nicht, sondern die Erfahrene. ;-)
Wobei ich denke, dass sie psychosomatische Reaktionen hervorzurufen in der Lage ist - wie üblich, wenn ein wenig spröder weiblicher Charme versprüht wird.

Anonym hat gesagt…

Könnte da nicht einer nach § 103 StPO nachschauen kommen? Irgendwo außerhalb der Handakte wird doch die Adresse stehen.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@Steffen: Wohin nachschauen kommen? Etwa in mein Büro???

Anonym hat gesagt…

... Ja ... Postausgangsbuch Rechnungslegung. Natürlich enthält der Durchsuchungsbeschluss die Abwendungsklausel.

Anonym hat gesagt…

@ Steffen:
Glauben Sie ernsthaft, ein Richter dürfte die Durchsuchung der Kanzlei eines Verteidigers anordnen, um die Anschrift (oder sonstige Daten) des Mandanten zu ermitteln?

Hören Sie sofort auf, nachmittags den Fernseher einzuschalten!

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

Es gibt ja kaum was, was es nicht gibt und ich denke und hoffe, dass Ermittlungsrichter tatsächlich Besseres zu tun haben als bei Verteidigern durchsuchen zu lassen.

Anonym hat gesagt…

Demnächst werden diese Daten einfach direkt ausgelesen.

Anonym hat gesagt…

... meine Bedenkenträger wollten auch nicht. Allerdings konnten sie ihr Nichtwollen auch nicht begründen. Wenigstens habe ich eine Verteidigervollmacht, die auch die Zustellung von Strafbefehlen umfasst.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@Steffen: Ich verstehe nicht ganz. Sie haben eine Vollmacht, die Sie als zustellungsbevollmächtigt ausweist? Legen Sie die am Ende etwa auch vor??

Anonym hat gesagt…

... ich nehme die Rechte und Pflichten wahr, die der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zustehen. Ein Verteidiger, dessen Mandanten ich suche, hat mir diese Vollmacht seines Mandanten vorgelegt.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@Steffen: Aaaaah. Verstanden. :-)