Donnerstag, 26. Februar 2009

Krötenschlucken

Die Akte über die meinem Mandanten vorgeworfene Körperverletzung gab Einiges her: widersprüchliche Zeugenaussagen der Verlobten meines Mandanten und der sonstigen Zeugen über eine Kneipenschlägerei, eine (versehentlich?) nicht angeklagte gefährliche Körperverletzung, wenigstens eine fehlende Belehrung, keine Ermittlungen zum Alkoholisierungsgrad und - eine offene einschlägige Bewährungsstrafe von 14 Monaten.
Es stellte sich die Frage, ob mein Mandant bei einem Geständnis die Kröte einer weiteren Bewährungsstrafe schluckt oder wir in die Beweisaufnahme eintreten.
Sicher wäre es spannend geworden, ich hatte mich schon ein bisschen auf den ein oder anderen Zeugen gefreut und ein paar Beweisanträge vorbereitet. Dem gegenüber stand das nach Aktenlage nicht unerhebliche Risiko einer Verurteilung ohne Bewährung, ggf. nach erhobener Nachtragsanklage wegen des beschuhten Fußes, mit dem mein Mandant getreten haben soll und der eine einfache Körperverletzung zur gefährlichen werden lässt. Den Widerruf der offenen Bewährung hätte es für diesen Fall noch obendrei gegeben.
Mein Mandant hat sich - für mich nachvollziehbar - fürs Schlucken einer verhältnismäßig kleinen Kröte (6 Monate mit Bewährung) entschieden anstatt eine größere zu riskieren.

Zeuge im Saal, Kamera im Anschlag

Es gibt sie immer wieder. Die Zeugen, die meinen, dass grundsätzlich jede Verhandlung für jeden zugänglich ist und sich deshalb in den Gerichtssaal setzen, in dem die Hauptverhandlung stattfindet.
So geschehen gestern.
Irgendwie kam mir der Mann, der in der letzten Reihe saß, bekannt vor. Ich fragte meinen Mandanten, wer das sei und der antwortete, es handele sich um Herrn A.. Besagter Herr A. steht in der Anklageschrift unter der Überschrift "Beweismittel" als Zeuge. Von der Polizei war er auch schon mal vernommen worden, hatte aber gegenüber dem Wachtmeister, der jeden Zuschauer fragt, ob er als Zeuge in Betracht komme, dies verneint. Das alles ist nicht ungewöhnlich, aber dass ein "Zuschauer" versucht, Fotoaufnahmen zu machen, ist nicht an der Tagesordnung.
Als ich plötzlich das rote Blinken einer Kamera in der Hand des Mannes sah, konnte ich noch rechtzeitig dafür sorgen, dass mein Mandant sich mit dem Rücken zu dieser Kamera drehte.
Unmittelbar nach Eröffnung der Verhandlung bat ich um Feststellung der Personalien des "Zuschauers" und beantragte, ihn aus dem Saal zu verweisen, da er als Zeuge in Betracht komme. Dem wurde stattgegeben und der Zuschauer zog sichtlich enttäuscht ab.
Ich bin nun gespannt, ob er sich entblödet, eventuelle Fotoaufnahmen Dritten zugänglich zu machen oder ob ihm die Sache zu heikel ist.
Mein Mandant berichtete mir von anonymen Briefen, die in letzter Zeit Personen aus seinem Umfeld erreicht hätten. Ohne, dass bislang ein Verdacht auf Herrn A. gefallen wäre, gibt sein Verhalten durchaus Anlass, darüber nachzudenken, ob er nicht als Urheber der Briefe in Betracht kommt und weitere Schreiben (inklusive Bildmaterial) plant.

Verteidiger ohne Kenntnis?

"Das Problem ist, dass Sie im Strafrecht möglicherweise nicht über ausreichende Kenntnis verfügen", so die Vorsitzende einer Strafkammer zu einem Verteidiger, der die Notwendigkeit der Fortsetzung Beweisaufnahme in Zweifel gezogen und gefragt hatte, was die zu ladenden Zeugen denn bekunden sollten, schließlich sei bislang (8. Hauptverhandlungstag) noch nicht einmal der objektive Tatbestand erwiesen und die Anklage sei "unschlüssig".
Ich war gespannt darauf, was nun passieren würde. Befangenheitsantrag, Protest, beides? Nichts dergleichen geschah.
Stattdessen regte der Kollege eine Einstellung nach § 153a StPO an. Während die Vorsitzende dies recht knapp mit einem Kopfschütteln verbeschied, meinte der Beisitzer: "Man muss schon etwas mehr in der Tasche haben als das, was sie hier ins Feld führen um einen solchen Vorschlag zu machen". Wieder passierte nichts.

Mittwoch, 25. Februar 2009

Karnevalistische Lebensweisheiten eines Zuvollfahrers

Kaum zurück von der Karnevalsfront, erreichte mich eben der Anruf eines potentiellen Mandanten, der das Vergnügen hatte, vergangene Nacht in eine Polizeikontrolle geraten zu sein. Offenbar mit Erfolg. Das Zapfergebnis lautete 2,12 Promille. Das könne natürlich nicht stimmen, so der potentielle Mandant und dass man ihm gleich die Pappe weggenommen habe, sei eine Unverschämtheit. Getrunken habe er schon, aber von maximal 3 Bier käme man nicht auf einen solchen Promillewert. Ich glaube, er fand schon meine Frage danach, wie groß denn die Biere gewesen seien, nicht nett. Als nächstes kam die Thematik der vertauschten Blutprobe aufs Tablett, die ich damit kommentierte, dass die Chance des Vertauschens sich in etwa derselben Höhe belaufen würde wie sein BAK-Wert. Auch dies munterte ihn nicht auf. Der Overkill war erreicht als ich ihn aufforderte, vorbeizukommen, eine Vollmacht zu unterschreiben und einen Vorschuss mitzubringen. Ersteres wäre nicht das Problem gewesen, aber einen Vorschuss gäbe es erst wenn "der Lappen wieder da sei". (So lange möchte ich nicht warten) Das aus seiner Sicht schlagende Argument: In der Kneipe bekäme man ja auch erst das Bier und
zahle erst hinterher. Soweit seine karnevalistischen Lebensweisheiten im Nachsuffstadium. Narrhallamarsch!

Freitag, 20. Februar 2009

Klagen einer Verteidigermutter

"Warum kannst du nicht endlich auch mal eine weiße Bluse tragen wie das die Staatsanwältinnen immer tun? Das sieht viel ordentlicher aus!" so die Reaktion meiner Mutter auf einen Bericht in einer regionalen Zeitung, die auch ein Foto von mir abgedruckt hatte.
Sie weiß ganz genau, dass ich nicht bügeln kann und schon deshalb selten Blusen trage.
Außerdem habe ich kein Problem damit, unordentlicher auszusehen als eine Staatsanwältin. Ein Grund mehr, auch in der kommenden Frühjahr/Sommersaison den Kleiderschrank nicht um weiße Blusen zu bereichern.

Mittwoch, 18. Februar 2009

Die Kammer wartete gerne

"Wir warten doch gerne", entgegnete der Vorsitzende der Strafkammer. Ich hatte mich bedankt, dass man auf mich gewartet hatte, da ich zwei Termine um 9.00 Uhr wahrzunehmen hatte und der Kollege, mit dem gemeinsam ich in anderer Sache verteidigte, im Stau stand, so dass ich zunächst ein wenig ins Jonglieren geraten war und bei der Geschäftsstelle angerufen hatte mit der Bitte, etwas später zu beginnen. Eine halbe Stunde war genehmigt worden und es ist nur den Fahrkünsten meines Kollegen zu verdanken, dass es eine Punktlandung wurde.
Obwohl ich trotz entgegenstehender Anhaltspunkte nicht so recht daran glauben mag, dass es sich bei der Aussage des Vorsitzenden um ein bloßes Lippenbekenntnis handelte, habe aber schon daraus gelernt. Zukünftig werde ich trotz zweitem Verteidiger keine Termine mehr mit einer anderen Kammer oder einer anderen Abteilung mehr vereinbaren. Die Gefahr, dass der Kollege im Stau steht oder sonst etwas dazwischen kommt ist einfach zu groß - auch wenn man noch so gerne auf mich wartet.

Dienstag, 17. Februar 2009

Formelhafte Entschuldigungen...

... waren es gewesen, die ich vermeiden wollte. Deshalb hatte ich meinem Mandanten, der 4 Banken überfallen hatte, nicht angeraten, aus der Untersuchungshaft Briefe an die Geschädigten zu richten, sondern sich besser persönlich zu entschuldigen.
So geschah es im Rahmen der Hauptverhandlung.
Dem Gericht schien das nicht gefallen zu haben, denn in der Urteilsbegründung rügte der Vorsitzende, mein Mandant habe sich bei den Opfern "formelhaft" entschuldigt. Ich hatte das nicht so empfunden und zwei der Geschädigten, die am letzten Hauptverhandlungstag anwesend waren, offensichtlich auch nicht. So unterschiedlich können subjektive Eindrücke sein. Die Opfer fanden die Forderung der Staatsanwaltschaft nach 8 Jahren und 6 Monaten viel zu hart und drückten meinem Mandanten die Daumen. Es nützte leider nichts. Das Gericht entsprach dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

Freitag, 13. Februar 2009

Staatsanwältin überprüft Geständnis

Mein Mandant hatte gestanden, Banken überfallen zu haben. Bei einem Überfall fuhr die weitere Angeklagte das Fluchtauto. Das hatte sie vorgestern gestanden. Sie hatte auch erwähnt, zwischenzeitlich ihre Haarfarbe gewechselt zu haben. Damals sei sie blond gewesen, heute - erkennbar - brünett. Es bestand also kein vernünftiger Zweifel mehr daran, dass sie die Fahrerin des Fluchtfahrzeugs war.
Eine Zeugin bekundete heute, sie habe am Tattag einen Mann in ein Auto mit einem auswärtigen Kennzeichen einsteigen sehen, das von einer blonden Frau gesteuert worden sei.
Die Staatsanwältin hakte nach. Ob die Zeugin denn so blond wie "die Verteidigerin" gewesen sei oder etwa noch blonder, ob es sich um die Angeklagte handeln könnte, wie die Fahrerin ihr Haar getragen habe usw..
Während die Zeugin noch zwischen hell- und mittelblond umherlavierte, schaltete sich der Vorsitzende ein und wies auf das Geständnis der Angeklagten hin. Als die Staatsanwältin hierauf einen etwas irritierten Eindruck machte, fügte er hinzu, es sei schön, dass die Staatsanwaltschaft auch Geständnisse überprüfe.
Ich selbst hatte keine Fragen mehr an die Zeugin. Das Geständnis hatte ich der Angeklagten längst abgenommen.

Donnerstag, 12. Februar 2009

TKÜ-Erkenntnisse: so lasst uns denn einen Fallschirm kaufen

Heutiges Übersetzungshighlight im Bulgariverfahren:
Die Dolmetscherin, die diversen Verfahrensbeteiligten schon diverse Nerven raubte, übersetzte heute, was eine Zeugin angeblich zu einer anderen am Telefon gesagt haben soll, wie folgt:
"Ich gehe mir jetzt mal einen Fallschirm kaufen."
Zuvor drehte sich das Gespräch darum, wie man den Tag verbringt und dass man noch Zigaretten benötigt.
Auf Frage eines Verteidigers, ob nicht auch statt "Fallschirm" "Parfum" gemeint sein könnte, antwortete die Dolmetscherin, dass das dann möglicherweise eine ihr nicht bekannte Nebenbedeutung desselben Wortes sei.
Nun gut. Halten wir fest: Parfum sollte frau immer "am Mann" haben, einen Fallschirm nicht zwingend, obwohl er manchmal sicher nicht schaden kann. Ich setze ihn mal auf meine Einkaufsliste.

Mittwoch, 11. Februar 2009

Bankraub mit Deutschlandperücke

Gestern begann in Koblenz das Verfahren gegen meinen Mandanten, der im Juni vergangenen Jahres mit einer schwarz-rot-goldenen Perücke einen Banküberfall begangen hat.
Am Tag zuvor hatte das Halbfinalspiel der deutschen Elf stattgefunden. Der Umstand, dass er wohl Fußballfan sei, wirke sich jedenfalls nicht strafschärfend aus, so der Vorsitzende Richter gestern sinngemäß.
Sowohl mein Mandant wie auch die weitere Angeklagte liessen sich umfassend zu den Vorwürfen ein.

Nach einem Bericht der Rheinzeitung vom heutigen Tag soll die Staatsanwältin auf die Frage, wie mein Mandant und die weitere Angeklagte gefasst worden sein sollen, gesagt haben: "Das ist geheim. Denn es sollen ja noch mehr Täter den gleichen Fehler machen".

Später Dank

Vor mehr als einem Jahr habe ich einer Mandantin, die ihre eigene Situation nicht recht einschätzen konnte und gegen alle Ratschläge meinerseits argumentierte, mal dermaßen Bescheid gesagt, dass sie danach stinksauer auf mich war. Das Mandat war ich los und das war auch gut so - für uns beide.
Gestern rief sie mich an in einer neuen Sache. Ich wunderte mich, weshalb sie nach dem Zoff ausgerechnet mich beauftragen wollte, fragte aber nicht nach. Dann rückte sie raus und bedankte sich für meine damalige Ansprache. Alles wäre so gekommen wie ich es gesagt hätte und sie wolle sich im Nachhinein bedanken.
Das hatte Größe.

Montag, 9. Februar 2009

Bulgariverfahren - Dolmetscherin ausgetauscht

Montagmorgen - Bulgariverfahren - TKÜ
Zunächst verkündet die Vorsitzende die weitere Vorgehensweise in Bezug auf die bulgarische TKÜ: der Dolmetscherin wird die TKÜ abschnittsweise vorgespielt und diese soll dann übersetzen. Dabei soll ihr ihre schriftliche Übersetzung zur Verfügung stehen. Auf diese Weise könne sie sofort - sollten sich Differenzen zwischen ihrer schriftlichen Übersetzung und ihrer Dolmetscherleistung in der Hauptverhandlung ergeben - zu diesen Differenzen Stellung nehmen.
Los ging´s.
Es wurde abschnittsweise vorgespielt, dann stoppte das Band und dann las die Dolmetscherin ihre Übersetzung vor. Das ging ohne Beanstandung keine zwei Sätze gut, denn das sich auf diese Weise keine Differenzen zwischen schriftlicher und mündlicher Übersetzung ergeben würden, war klar.
Auch das Gericht schien seine Zweifel zu haben, dass die Vorgehensweise zum einen gutgehen würde und wir zum anderen an einem Vormittag mehr als ein dreiminütiges Telefonat in die Hauptverhandlung eingeführt bekommen würden. Hinzu kam noch, dass die Dolmetscherin die Hilfe des Wachtmeisters, der sich mit dem Abspielgerät auskennt, ablehnte und selbst versuchte, Abspielgerät und Übersetzung auf die Reihe zu bekommen. Dies scheiterte.
Die Vorsitzende ordnete eine Pause an, damit die Dolmetscherin das "mal üben könne", begab sich dann selbst zum Dolmetscherpult und tauschte kurz später die Dolmetscherin gegen einen anderen Dolmetscher aus. Der übersetzt jetzt ohne die schriftliche Vorlage seiner Kollegin. Geht doch.

Freitag, 6. Februar 2009

Schlampen unter sich

"Eine Schlampe kann einer anderen nichts vormachen", so eine Zeugin gestern im Bulgariverfahren auf die Frage, woher sie denn wisse, dass die Zeugin T. bereits vor ihrer Einreise nach Deutschland in Bulgarien der Prostitution nachgegangen sei.
In Widin habe T. damals am Hafen Geld mit Prostitution verdient. Der Hafen sei stark frequentiert von Fährschiffen, die auch Lkw beförderten, in deren Kabinen man ungestört sei.
Hintergrund war, dass die T. im Rahmen ihrer Vernehmung behauptet hatte, in Bulgarien nie der Prostitution nachgegangen zu sein und auch heute wolle sie eigentlich gar nicht im Bordell arbeiten, sondern lieber putzen gehen. In Deutschland angekommen, sei sie von einigen der Angeklagten zur Prostitution gezwungen worden. Zuvor in Spanien habe sie als Erntehelferin gearbeitet.
Von dem Ernteeinsatz wusste die gestrige Zeugin ebenfalls nichts. Sie gab jedoch zu erkennen, dass die Vorstellung von T. auf dem Feld sie amüsiert.
Sie selbst, so die Zeugin, sei nie zur Prostitution gezwungen worden. Sie arbeite seit Versiegen ihrer Goldminen in Deutschland als Prostituierte.

Mittwoch, 4. Februar 2009

Die Zeugin der Staatsanwaltschaft

Ich hatte alles gegeben um die Schwester meines Mandanten, die zunächst im Zuschauerraum saß und durch sinnfreie und damit gefährliche Einwürfe glänzte, mundtot zu machen. Im Zuge dessen hatte ich auch vorgetragen, sie komme als Zeugin in Betracht, was den Richter dann veranlasste, sie aus dem Saal zu bitten. Gegen Ende des ersten Verhandlungstages fragte mich dann der Richter, ob er denn die Schwester zum nächsten Termin laden solle und falls ja, zu welchem Beweisthema. Ich lehnte dankend ab. Mein Ziel hatte ich erreicht, die Zeugin saß auf dem Flur.
Bedauerlicherweise hatte die Staatsanwaltschaft die Schwester im Nachgang benannt, wohl weil sie sich von dieser eine meinen Mandanten belastende Aussage erhoffte. Schon auf dem Flur grinst mich die Zeugin triumphierend an und winkt mit einer Ladung. Mir schwant nichts Gutes. Sie ist als Erste dran und macht natürlich nicht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
Der Richter fragt sie genüsslich, was sie denn von meinem Mandanten berichten könne. Die Zeugin beginnt mit dem Zeitpunkt als mein inzwischen 38-jähriger Mandant 18 Monate alt war und mit seinen Eltern und Geschwistern aus der Türkei einreiste. "Der Richter wird sie schon einbremsen", denke ich mir, aber der Richter denkt nicht daran. Die geneigte Zuhörerschaft erfährt sodann den weiteren Werdegang meines Mandanten, die Schulzeit, die Ausbildung, wie die Eltern und die sonstigen Geschwister in Deutschland zurecht kamen, wer inzwischen wie Fuß gefasst hat, wo arbeitet, wieviele Kinder hat, wieviele Freundinnen mein Mandant hatte, dass es ihm an Mutterliebe gefehlt habe (an dieser Stelle beginne ich, in meiner Handtasche nach einer Nagelfeile zu fahnden, die ich leider nicht finde und vertreibe mir die Zeit daher mit abstrakten Kritzeleien auf dem Aktendeckel), wie oft man in der Türkei Urlaub macht, bei welchen Firmen mein Mandant gearbeitet hat und vieles mehr. Was mein Mandant denn in jüngster Zeit so gemacht habe, will der Richter dann wissen. Hier folgt eine Beschreibung seiner Wohnung, seiner Freundin, seines Tagesablaufs, der Häufigkeit seiner Besuche bei ihrer Familie unter besonderer Hervorhebung des Umstandes, dass sie freilich immer für ihn da sei, auch jetzt, da er sich in Haft befinde. Ob sie meinem Mandanten denn zutraue, dass er ihren Sohn bestohlen habe. Ich bin gerade dabei, die Frage zu beanstanden, da tönt die Zeugin, dass sie meinem Mandanten das nie und nimmer zutraue, er das gar nicht nötig habe und er überhaupt ein ganz Netter sei. Ich beende meine Ausführungen, grinse den Staatsanwalt an und finde die Zeugin plötzlich sehr sympatisch. Keiner hat mehr Fragen an die Zeugin. Schade eigentlich, wo ich ihr doch so gerne zugehört hatte.

Verurteilung in dubio contra

Obwohl auch auf dem Notebook der Polizei nicht der Kopf meines Mandanten zu sehen war und selbst der Staatsanwalt in seinem Plädoyer einräumen musste, dass das "Unterteil" auf einige 100 Menschen passe, wurde mein Mandant gestern wegen versuchten Einbruchsdiebstahls verurteilt.
Das Gericht sah die in der Wohnung meines Mandanten sichergestellte Tasche als diejenige an, die das auf den Bildern ersichtliche "Unterteil" umhängen hatte. Die sichergestellte Tasche gehörte der Freundin meines Mandanten, die bekundet hatte, er habe sie nie benutzt, sie habe immer bei ihr auf einem Schrank gelegen. Ob ein weiterer Mitbewohner diese benutzt habe, konnte sie nicht sagen. Ich bin gespannt, wie das Gericht diese Hürde in den Urteilsgründen zu umschiffen gedenkt, mal angesehen davon, dass nicht sicher ist, ob die Tasche auf den Bildern tatsächlich dieselbe ist wie die, die in der Wohnung meines Mandanten sichergestellt wurde

Dienstag, 3. Februar 2009

Das Bulgariverfahren und die Dolmetscherin - Fortsetzung

Die Künste der Dolmetscherin im Bulgari-Verfahren treiben bisweilen immer seltsamere Blüten.
Sie hatte nach Auftrag des Gerichts einen Brief einer Angeklagten an deren ebenfalls angeklagten Bruder übersetzt. Der Verteidiger der Angeklagten beantragte eine mündliche Übersetzung des Originalbriefs und verhinderte damit die Verlesung der Übersetzung durch das Gericht.
Die "Übersetzterin" machte sich an die Arbeit und übersetzte drauflos. Als sie fertig war, fragte das Gericht einzelne Wörter nach, die schriftlich völlig anders übersetzt worden waren als mündlich. Präpositionen (im Bulgarischen gibt es angeblich eine Präposition, die gleich mehere deutsche Bedeutungen hat) wurden unterschiedlich übersetzt und ja, es macht einen Unterschied, ob jemand "für" jemanden gearbeitet hat oder nur "bei" jemandem oder ein Wort, das übersetzt "Eisenhändler" bedeutet könnte auch als Eigenname gemeint sein.
Nicht zu vergessen, dass ein Wort einmal mit "Arbeitsstelle" und dann mit "Etablissement" übersetzt wurde. Nicht so wild?
Lieber Leser, probieren Sie es aus. Verabschieden Sie sich einmal morgens von Ihrer besseren Hälfte mit den Worten, Sie gingen jetzt ins Etablissement und berichten Sie mir gelegentlich von der Reaktion.

Vorsitzender bedankt sich bei Verteidigern

Es gibt Situationen mit Seltenheitswert. Gestern habe ich es nach über 10 Jahren Strafverteidigung zum ersten Mal erlebt, dass ein Vorsitzender sich im Rahmen der Urteilsbegründung bei der Verteidigung für den guten Umgang miteinander bedankte.
Dem vorausgegangen waren 22 Hauptverhandlungstage in einem Wirtschaftsstrafverfahren, in dem den Angeklagten Insolvenzstraftaten, Verstöße gegen das KWG, gewerbsmäßiger Betrug sowie Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt vorgeworfen worden waren.
Während der gesamten Dauer der Hauptverhandlung zeigte sich die Kammer fair gegenüber allen Verfahrensbeteiligten. Das Terminsgerangel, das man bisweilen von anderen Strafkammern kennt, blieb aus. Wenn es Terminskollisionen gab, wurde kurzfristig per Telefon eine gemeinsame Lösung gesucht und gefunden. Die Verhandlungsatmosphäre kippte selbst dann nicht, wenn gegenläufige Rechtsansichten vertreten wurden und die Befragung der Zeugen geschah mit Augenmaß. Den Dank kann man daher auch aus Sicht der Verteidigung nur erwidern.

Die Staatsanwaltschaft hatte für meinen Mandanten eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung gefordert. Erfreulicherweise schloss sich das Gericht meinem Antrag an und verurteilte meinen Mandanten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 10 Monaten mit Bewährung. Mein Mandant hatte durch ein frühzeitiges Geständnis sowie die von ihm geleistete Schadenswiedergutmachung gezeigt, dass er sich eine Bewährungschance verdient hat. Nachdem er keine Freiheitsstrafe verbüßen muss, wird er auch weiterhin bei seinem Arbeitgeber beschäftigt bleiben und in der Lage sein, die monatlichen Raten an seine Gläubiger weiter bedienen zu können.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Montag, 2. Februar 2009

Das Notebook der Polizei

Morgen gehts weiter in einem Verfahren wegen Einbruchsdiebstahls beim Amstgericht G..
Mein Mandant soll in eine Discounterfiliale eingebrochen sein. Die in der Akte befindlichen Fotos des Überwachungsvideos zeigen eine Person vom Hals abwärts. Die Staatsanwaltschaft beantragte, das Video einzusehen, da sie wohl die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat, dass auf dem Video der Kopf meines Mandanten zu erkennen sein wird.
Dem wird das Gericht morgen nachkommen, weist jedoch auf Folgendes hin: "Aus technischen Gründen ist die Inaugenscheinnahme der Aufzeichnung derzeit nur auf dem Notebook der PI B. möglich. Aus diesem Grunde wurde der Polizeibeamte XY ebenfalls zum Termin geladen."
Bei Herrn XY handelt es sich nicht um den Sachbearbeiter, der mir schon im vorangegangenen Termin eher ungünstig aufgefallen war und den jetzt vielleicht die Lust verlassen hat, erneut in den Ring zu gehen.
Ich bin jedenfalls gespannt - auf das Notebook, die Aufzeichnungen und den Fortgang des Verfahrens.