Freitag, 10. Oktober 2008

Augenmaß? - Fehlanzeige

Aus einer Berufungsbegründung der Staatsanwaltschaft: "Das Geständnis war insbesondere der drückenden Beweislage geschuldet. Der angeklagte Besitz von Btm hätte zweifelsfrei durch Vernehmung der Durchsuchungszeugen PK Eins, POK Zwei und PHK Drei bestätigt werden können. Das Geständnis hat insoweit zur Tataufklärung nur sekundär beigetragen und lediglich die Einvernahme von Zeugen erspart (...) Das Amtsgericht hat das Geständnis als maßgeblichen Strafmilderungsgrund zu Gunsten des Angeklagten gewertet." Dies beanstandet die Staatsanwaltschaft.

Eine Unterscheidung nach Geständnissen erster und solchen zweiter Klasse kennt die Rechtsprechung erfreulicherweise nicht, so dass meiner Auffassung nach das Amtsgericht zurecht das frühe Geständnis zugunsten meines Mandanten berücksichtigt hat.

Der hatte den Besitz einer geringen Menge Heroin zum Eigenkonsum bereits im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahme eingeräumt. Dieses Geständnis hatte er beim Amtsgericht wiederholt und wurde zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung verurteilt. Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung befand er sich bereits seit mehreren Monaten in einer stationären Therapieeinrichtung. Den Therapieplatz hatte er sich selbst erkämpft. Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung ein mit dem Ziel, meinen Mandanten zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung zu verurteilen. Die Therapie wäre für den Fall, dass das Berufungsgericht dem Antrag folgen sollte, für meinen Mandanten gelaufen. Als Verteidiger fragt man sich beim Lesen solcher Rechtsmittelbegründungsschriften, wie wenig Augenmaß jemand haben muss, der solche Anträge stellt.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Eine ähnliche Angelegenheit kam mir vor einer Weile auf den Tisch, wobei es um massiven Alkoholkonsum mit daraus folgenden Straftaten ging. Obwohl der Angeklagte geständig war und zudem nachweisen konnte, dass er sich in eine Therapie begeben würde, verurteilte das AG zu Freiheitsstrafe ohne Bewährung, was in der Berufung dann aber korrigiert werden konnte. Derzeit lebt der Angeklagte trocken und straffrei.

doppelfish hat gesagt…

Eine geringe Menge Augenmass zum Eigenkonsum, quasi.

Tobias Feltus hat gesagt…

Augenmaß? Wozu das denn? Gehört dies neuerdings zum Anforderungsprofil eines Staatsanwaltes?

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@Tobias Feltus. Leider nein. q.e.d.